31 Oktober 2010

Sie versuchen es immer wieder

Die Bezirksrevisoren machen hin und wieder den Eindruck, dass sie eindeutige Entscheidungen im eigenen Gerichtsbezirk schlicht ignorieren und versuchen, den Verteidigern Geld vorzuenthalten, das ihnen zusteht.

So in jüngster Vergangenheit wieder beim Landgericht Braunschweig, als ein Kostenbeamter meinte, er könne die Gebühr nach RVG VV 4141 nach Revisionsrücknahme u.a. streichen, weil die Revision "lediglich mit dem Standardsatz" begründet worden sei.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel stattgegeben und u.a. ausgeführt (2 KLs 12/10 vom 21.10.2010):

Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 RVG ist entstanden. Der Erinnerungsführer hat die Revision zurückgenommen. Dem Vergütungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Erinnerungsführer mitgeteilt hat, er würde erörtern, ob das eingelegte Rechtsmittel weiter durchgeführt oder zurückgenommen werde, sollte die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlegen oder ein eingelegtes Rechtsmittel zurücknehmen.


Die Entscheidung des OLG Braunschweig vom 16.3.2006, Geschäftsnummer WS 25/06, steht dem nicht entgegen, denn darin wird ausgeführt, dass für das Entstehen der Befriedigungsgebühr der Nr, 4141 RVG durch Revisionsrücknahme als Mindestvoraussetzung zu verlangen ist, dass wenigstens schon die theoretische Möglichkeit der Anberaumung eines Termins nach § 350 StPO besteht. Das ist der Fall, wenn die Revision fristgerecht begründet worden ist. Andernfalls gelangen die Akten normalerweise gar nicht an das Revisionsgericht, sondern wird das Rechtsmittel bereits durch die Vorinstanz gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Die genannte Entscheidung ist vorliegend nicht einschlägig. Der Erinnerungsführer hat die Revision vor Rücknahme begründet. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts genügt als vollständige Revisionsbegründung.


DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

29 Oktober 2010

Wahllichtbildvorlage und Wahlgegenüberstellung

Da ich erneut auf völlige Unkenntnis der rechtlichen Voraussetzungen ermittelnder Polizeibeamter bezüglich einer Wahlgegenüberstellung in einem Strafverfahren getroffen bin, zum wiederholten Male dies:

A.

Die unrichtige Identifizierung des Tatverdächtigen durch Augenzeugen bei Gegenüberstellung oder Lichtbildvorlage ist eine Hauptursache für Fehlurteile im Strafverfahren.

Das Wiedererkennen beruht auf einem Vergleich der Identität einer gegenwärtigen mit einer vergangenen Wahrnehmung. Die von dem Zeugen verlangte Leistung besteht darin, das in seinem Gedächtnis ruhende Erinnerungsbild von dem früher wahrgenommenen Täter mit der persönlichen Erscheinung des ihm gegenübergestellten Verdächtigen zu vergleichen.

Die Richtigkeit einer Identifizierung hängt nicht allein oder auch nur zu einem wesentlichen Teil vom guten Willen des Zeugen und seiner Ehrlichkeit ab. Die in dem Wiedererkennen liegende Aussage des Zeugen ist ein Endprodukt eines komplexen Vorgangs, der äußerst fehleranfällig ist.

Das Wiedererkennen entwickelt sich in einem dreistufigen Prozess über die Phasen Wahrnehmung, Erinnerung und Wiedergabe. In jeder dieser Phasen können sich zahlreiche psychologische Fehler einschleichen, die die Zuverlässigkeit und damit den Beweiswert der Identifizierung beeinträchtigen.

Die Wiedergabe des Wahrgenommenen und Erinnerten vollzieht sich in der Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten. Die Art und Weise, wie die Gegenüberstellung durchgeführt wird, hat entscheidenden Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Identifizierung. Die Gegenüberstellung selbst ist eine potentielle Fehlerquelle ersten Ranges. Die erschreckend hohen Fehlerquoten durch falsches Wiedererkennen sind darauf zurückzuführen, dass das Wiedererkennen mehr als jede andere Aussage, mit der ein zusammenhängender Geschehensablauf geschildert wird, durch suggestive Einflüsse verfälscht und eine einmal erfolgte Falschidentifikation nicht mehr korrigiert werden kann.

Die bei einer ersten Gegenüberstellung oder Ljchtbildvorlage wirksam gewordenen suggestiven Einflüsse belasten jedes weitere Wiedererkennen, weil eine fehlerfreie Wiederholung der Gegenüberstellung nicht möglich ist. Eine wesentliche und in Psychologie und Rechtsprechung des BGH unangefochtene Erkenntnis ist, dass jedes dem ersten Wiedererkennen folgende, also das wiederholte Wiedererkennen ohne jeden Beweiswert ist.

Der bei dem ersten Wiedererkennen des vermeintlichen Täters gewonnene Eindruck setzt sich unbewusst an die Stelle der ursprünglichen Wahrnehmung und überlagert diese völlig. Da dieser Prozess im Unbewussten abläuft, helfen auch Beteuerungen des Zeugen nichts, durch die erste Gegenüberstellung, Lichtbildvorlage oder Wahllichtbildvorlage nicht voreingenommen zu sein.

Beruht die erste Identifizierung auf einem Irrtum, so wird jedes folgende Wiedererkennen durch diesen Irrtum beeinflusst, letztlich auch deshalb, weil der Zeuge vor sich selbst einräumen müsste, sich bei dem ersten Wiedererkennen getäuscht zu haben.

Der bei der ersten Gegenüberstellung, Lichtbildvorlage oder  Wahllichtbildvorlage eingetretene Schaden ist folglich irreparabel.


B.

Es lassen sich bestimmte Grundanforderungen aufstellen, denen eine Gegenüberstellung oder ein ähnlicher Vorgang entsprechen müssen, wenn das Ergebnis auch nur halbwegs zuverlässig betrachtet werden soll:

I.
Es muss sichergestellt werden, dass der Zeuge seine Entscheidung, ob er den Täter
wiedererkennt oder nicht, ausschließlich an sachgerechten Kriterien orientiert. Sachgerecht sind solche Kriterien, die ihren Ursprung in der Übereinstimmung zwischen aktueller Wahrnehmung und Erinnerung an den Täter haben. Sachwidrig sind alle Faktoren, die den Beschuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten erst aufgrund der Gegenüberstellungssituation als möglichen Täter kennzeichnen.

II.
Die Identifizierungsschwelle muss so hoch angesetzt werden, dass der Zeuge eine
Identifikation erst vornimmt, wenn Zahl oder Gewicht der von ihm wahrgenommenen Ähnlichkeitsmerkmale das Vorhandensein einer bloß zufälligen Übereinstimmung
weitgehend ausschließen.

III.
Die Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage muss so durchgeführt werden, dass eine Identifizierung nicht auf bloßem Zufall oder auf anderen Faktoren als der Übereinstimmung zwischen der Erinnerung an die frühere und dem Erlebnis der gegenwärtigen Wahrnehmung beruhen kann. Sachfremde Hinweise oder Ablenkungen, die von dem nach einer „richtigen“ Entscheidung suchenden Zeugen aufgegriffen werden können, sind zu vermeiden. Solche suggestiven Signale können ausgestrahlt werden von den Mitzeugen, den Auswahlpersonen, den an der Gegenüberstellung oder Lichtbildvorlage beteiligten Beamten, Staatsanwälten oder Richtern und schließlich von dem Beschuldigten selbst.

Nicht wenige Ermittlungsbeamte, die aus welchen Gründen auch immer von der Täterschaft eines Beschuldigten überzeugt sind, drängen Zeugen faktisch dazu, genau den Beschuldigten „wiederzuerkennen“, ein an Dreistigkeit kaum zu überbietendes immer wieder vorkommendes Schulbeispiel für die denkbar falscheste Vorgehensweise ist das Plazieren des einer einzelnen verdächtigen Person in einem Streifenwagen, um mit dieser dann an einem oder auch noch mehreren Zeugen langsam vorbeifahren, die dann erfahrungsgemäß allein wegen dieser absurden Situation, die an das Vorführen eines Eisbärenkindes im Zoo erinnert, wie aus einem Munde: „Das ist er!“ schreien. 

IV.
Vor der Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage dürfen die Zeugen weder den Vergleichspersonen noch dem Beschuldigten begegnen.



V.
Sofern mehrere Tatzeugen vorhanden sind, sind diese getrennt zu halten, um eine gegenseitige Beeinflussung auszuschließen.

VI.
Um eine eventuell folgende Identifikation auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüfen zu können, sind die Zeugen vor einer Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage einzeln und in Abwesenheit der anderen Zeugen zu vernehmen. Der jeweilige Zeuge muss den Täter vor der Gegenüberstellung möglichst detailliert beschreiben.

VII.
Bei dem Zeugen darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Täter sich unter den gegenübergestellten Personen oder auf den vorgelegten Fotos befinden müsse. Die Möglichkeit, niemanden aus der Personengruppe oder den vorgelegten Fotos zu identifizieren, muss als reale Alternative erhalten bleiben.

VIII:
Die Zusammenstellung der Vergleichspersonen hat nach dem Grundsatz des „fairen Verfahrens“ zu erfolgen. Von einer fairen Gegenüberstellung kann nur gesprochen werden, wenn die Vergleichspersonen dem Beschuldigten sowohl nach dem Gesamtbild der äußeren Erscheinung, also nach Größe, Gestalt und Alter, als auch hinsichtlich der vom Zeugen beschriebenen besonderen Tätermerkmale ähneln. Die Vergleichspersonen müssen alle die besonderen Merkmale aufweisen, die dem Zeugen an dem Täter besonders aufgefallen sind.

Unterscheidet sich der Beschuldigte trotz ähnlicher Gesamterscheinung in nur einem, dem Zeugen aufgefallenen Merkmal von den Vergleichspersonen, handelt es sich nur scheinbar um eine Wahlgegenüberstellung, in Wirklichkeit aber um eine Ejnzelgegenüberstellung, weil sich der Beschuldigte als Täter aufdrängen muss.

Das gilt auch bei der Wahllichtbildvorlage. Die Fotos dürfen weder in ihrem Format, der Art ihrer Herstellung (Sofortbild/Dia/Negativabzug/Schwarz-Weiß/Farbe etc.) oder in anderen Unterscheidungsmerkmalen (Fahndungsfotos im Vergleich zu Passfotos) voneinander abweichen.

Jegliche digitale Manipulation an gespeicherten Fotos ist zwingend zu unterlassen.

IX.
Die Leitung der Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage ist einem mit den Ermittlungen nicht befassten Polizeibeamten, Staatsanwalt oder Richter anzuvertrauen, weil die Beeinflussung des Zeugen durch unbewusstes nonverbales Verhalten des Sachbearbeiters durch zahlreiche Untersuchungen nachgewiesen ist.


C.

Wird während der Ermittlungen gegen diese Grundsätze verstoßen, wird der Zeuge sofort „wertlos“, wegen oben dargestellter Grundsätze ist auf seine weitere Vernehmung, soweit sie die Identifizierung des Täters angeht, uneingeschränkt zu verzichten, unter Verstoß gegen obige Grundsätze erlangte Ermittlungsergebnisse sind zu vernachlässigen.

Sowohl Polizeidienstvorschriften (PDV 100) als auch die RiStBV schreiben statt der Einzelgegenüberstellung die Wahlgegenüberstellung vor.

So heißt es in Nr. 18 RiStBV:

Soll durch eine Gegenüberstellung geklärt werden, ob der Beschuldigte der Täter ist, so ist dem Zeugen nicht nur der Beschuldigte, sondern zugleich auch eine Reihe anderer Personen gleichen Geschlechts, ähnlichen Alters und ähnlicher Erscheinung gegenüberzustellen, und zwar in einer Form, die nicht erkennen lässt, wer von den Gegenübergestellten der Beschuldigte ist (Wahlgegenüberstellung).

Deutlicher kann das Gewollte kaum mit kurzen Worten zusammengefasst werden, um so erstaunlicher, wie oft Polizeibeamte gegen diese eigentlich einfachen Grundsätze verstoßen und mit welcher ignoranten Selbstverständlichkeit diese Verstöße von Staatsanwälten dann hingenommen werden.

Herr Wolf-Dietrich Brodag, ehemals Kriminaldirektor und u.a. Lehrbeauftragter und Leiter an verschiedenen Landespolizeischulen, der nun sicher nicht verdächtig ist, besonders
beschuldigten- oder verteidigerfreundlich zu sein, lässt sich in seinem Werk „Kriminalistik“, 7. Auflage 1995, Randnummer 356 wie folgt aus:

Einzelgegenüberstellung (en).. haben aufgrund ihres geringen Beweiswertes i.d.R. zu unterbleiben (BGH NStZ 1982, 342). Eine Gegenüberstellung hat aber keinen Beweiswert, wenn dem Zeugen nur der Beschuldigte als Einzelperson und möglicher Täler vorgestellt wird und die zuvor von diesem Zeugen abgegebene Täterbeschreibung nicht zum Beschuldigten passt.

Auch ein Klassiker der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen, nämlich Handbuch der Psychologie, 11. Band, Forensische Psychologie, 1967, Prof. Dr. Udo Undeutsch, Seite 65, stellt als völlig unbestritten fest:
           
Bei der Durchführung von Wiedererkennungsversuchen können schwerwiegende und später nicht mehr korrigierbare methodische Fehler gemacht werden. Vor allem ist immer erforderlich, dass mehrere Personen unter gleichen Verhältnissen dem Zeugen vorgestellt werden.

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

Freud lässt grüßen

Der Herr Staatsanwalt hatte die Möglichkeit, zu einem von mir gestellten Beweisantrag Stellung zu beziehen.

Diese Möglichkeit schöpfte er nicht aus, sondern gab in diesem Zusammenhang eine "dienstliche Stellungnahme" ab, erkennbar, um zu verhindern, dass er selbst in dem Verfahren als Zeuge aussagen muss.

Im Rahmen seiner dienstlichen Stellungnahme rutschte ihm dann ein netter Tippfehler durch, bevor er seine in sich widersprüchliche dienstliche Stellungnahme unterschrieben und dem Gericht überreicht hat.

Kreiert wurde das schöne Wort, das mir gut gefällt:

Unsatzsteuer


DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

20 Oktober 2010

Verkehr mit Gefangenen

Einem Kollegen wird ein ungeheuerlicher Vorwurf gemacht:

Er soll mit dem Adresszusatz "Verteidigerpost" unzulässige Informationen mit seinem Mandanten ausgetauscht haben, also Informationen, die er nur ohne den Adresszusatz "Verteidigerpost" hätte zusenden dürfen.

Zum Beispiel ging es um ein Insolvenzverfahren seines Mandanten. Dass die persönlichen Verhältnisse eines Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung durchaus eine nicht unerhebliche Rolle spielen könnten, übersieht die Staatsanwaltschaft geflissentlich.

Der Vorwurf gegen den Kollegen wird jedenfalls mit der Überschriftz versehen:

Verkehr mit Gefangenen!

Gut, dass es nur um Schriftverkehr ohne Austausch von Flüssigkeiten geht.



DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

12 Oktober 2010

Beweglich wie ein Kubikmeter gebundener Beton

Die Dame, die heute Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft in einem kleinen Amtsgericht am südlichen Rand der Lüneburger Heide war, sprühte vor Freundlichkeit, Zugänglichkeit und insbesondere beruflicher Beweglichkeit.

Zwei Angeklagte, die teilgeständig waren, ein wenig überzeugender Belastungszeuge und ein glaubwürdiger Entlastungszeuge mit glaubhaften Angaben, so sah es offenbar auch der Richter.

Ein weiterer Belastungszeuge entschuldigt ferngeblieben, einer unentschuldigt. Vor der Tür weitere fünf Entlastungszeugen, ein Gespräch über eine Verurteilung wegen Körperverletzung statt angeklagter gefährlicher Körperverletzung bei nicht vorbelasteten Angeklagten drängte sich auf.

Und dann in unnachahmlich muffeliger Art und Weise eine glatte Abfuhr an den Versuch von Gericht und Verteidigung: Ohne die nicht erschienenen weiteren Belastungszeugen kann die Sache nicht aufgeklärt werden. Klatsch!

Wenn die Dame nicht so gewesen wäre, wie sie war, hätte ich gern noch mit ihr gewettet, dass auch mit allen Zeugen im nächsten Termin in einigen Monaten nichts anderes herauskommt als der Nachweis der eh gestandenen einfachen Körperverletzung.

Das scheint der Dame aber völlig egal zu sein. Schade, dass es unwahrscheinlich ist, dass sie dann wieder Sitzungsvertreterin ist und die "Niederlage" nicht selbst einstecken wird.



DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung

JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

05 Oktober 2010

Geständnis in öffentlicher Sitzung

Der Kollege wird zum Zeugenbeistand bestellt. Es erfolgt die tatsächlich richtige Belehrung des Gerichtes seines Mandanten, dass er solche Fragen nicht beantworten muss, die ihn oder einen Verwandten in die Gefahr bringen, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Darauf teilt der Kollege mit:
Mein Mandant wird Fragen nicht beantworten, da er sich sonst selbst bezichtigen müsste, Straftaten begangen zu haben.
Der Kollege sollte sich die Bedeutung des § 55 StPO vielleicht doch noch einmal genauer überlegen und sich nicht wundern, wenn der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft aufgrund dieser Erklärung gezwungen sein könnte, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Das Geständnis in öffentlicher Sitzung hat er ja schon.

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

Gutes Gelingen


Natürlich ist der Deal im Strafverfahren eher zur Regel als zur Ausnahme geworden, was man auch immer davon halten mag. Aber auch dafür benötigt man ein sicheres Fingerspitzengefühl, wann mit wem und welchem Ziel Gespräche begonnen werden.

Oft zeigt sich, dass die Vorstellung von Rechtsanwälten, die sonst eher keine Strafsachen bearbeiten, an der Realität vorbeigehen.

So will ein Kollege in einem Verfahren mit mehreren Angeklagten (Bandenvorwurf) seinem Bekunden nach im Wege eines Deals für seinen Mandanten mit der Kammer eine Abtrennung und einen Freispruch erreichen, obwohl zur Zeit die Beweislage gegen seinen Mandanten - vorsichtig ausgedrückt - eher diffus ist.

Er versteht die Warnung, Gefahr zu laufen, ausgelacht zu werden, nicht. Also kann man ihm nur gutes Gelingen wünschen.

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

02 Oktober 2010

Wenn das stimmt ...

... haben demnächst verschiedene Kammern Verfahren wegen Zulassungsentzug zu verhandeln:
Ein Mediziner aus Hannover soll falsche Atteste für gesunde Patienten ausgestellt haben, mit denen sich diese Gelder von Versicherungen erschwindelten. Der Arzt für Psychiatrie und ein Patient, der von dem Schwindel profitiert haben soll, sitzen in Untersuchungshaft. Das berichteten mehrere Zeitungen am Samstag unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft in Hannover. Die Justiz wirft dem 61 Jahre alten Arzt vor, dass er zusammen mit Patienten Versicherungen um rund eine halbe Millionen Euro betrogen haben soll. Ein Steuerberater habe sich fast drei Jahre falsche Atteste ausstellen lassen. Er habe in dieser Zeit 155 000 Euro Krankengeld erhalten, nach Erkenntnissen der Ermittler aber in der Anwaltskanzlei seiner Frau gearbeitet.

Quelle: newsclick



DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

Erleichterte Wechselwilligkeit bei § 140 I 1 StPO

Bisher musste leider festgestellt werden, dass die an sich wünschenswerte Neuregelung des § 140 Abs. 1 Nummer 4 StPO oft dazu führte, dass Gerichte schon in einer sehr frühen Phase inhaftierten Beschuldigten gerichtsgenehme Rechtsanwälte beigeordnet haben, die so genannten Kuschel-Spezies.

Das Landgericht Krefeld (NStZ 2010, 591 f.) hat jetzt eine Möglichkeit eröffnet, diese Mauschelnähe schnell wieder aus dem Weg zu schaffen:
Die Vorschrift des § 142 I 1 StPO, wonach dem Beschuldigten vor Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden soll, innerhalb angemessener Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu bezeichnen, gilt auch für Fälle der notwendigen Verteidigung nach § 140 I Nummer 4 StPO. Danach darf der Haftrichter im Vorführungstermin mit der Bestellung eines Pflichtverteidigers zuwarten, sofern der Beschuldigte keinen Verteidiger benennen kann und nicht ausdrücklich um sofortige Verteidigerbeiordnung nachsucht. Erfolgt die Pflichtverteidigerbestellung gleichwohl unverzüglich im Vorführungstermin, so kann auf Antrag des Beschuldigten der Pflichtverteidiger gegen den von ihm nunmehr bezeichneten Rechtsanwalt des Vertrauens ausgewechselt werden, ohne dass es auf eine Störung des Vertrauensverhältnisses zum bestellten Pflichtverteidiger ankommt.




DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs

Klare Ansage vom Oberlandesgericht Braunschweig zu § 29 V BtMG und § 47 StGB

Das Amtsgericht Braunschweig hatte einen Angeklagten wegen des angeblichen versuchten unerlaubten Erwerbs von Kokain zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.

Bei diesem Urteil wurde weder auf § 29 Abs. 5 BTMG eingegangen noch wurden Ausführungen zu § 47 StGB gemacht.

Auf meine Sprungrevision hin hat das Oberlandesgericht Braunschweig insoweit deutliche Worte gefunden.

In einer Entscheidung vom 23. September 2010 (Ss 72/10) heißt es unter anderem:

Das Amtsgericht hat sich nicht mit der Anwendbarkeit des § 29 Abs. 5 BTMG auseinander gesetzt. Diese Vorschrift ist als Strafzumessungsregel materielles Recht, das in der Revision auf die Sachrüge hin überprüft werden kann. Gibt ein Sachverhalt, bei dem ein Angeklagter Betäubungsmittel in geringen Mengen zum Eigenverbrauch erworben hat, Anlass, die Voraussetzungen der Strafzumessungsregel des P§29 Abs. 5 BTMG zu prüfen, so führt die Nichterörterung im Urteil auf die Revision hin zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen.

Zu § 47 StGB hat das Oberlandesgericht dann ausgeführt:

Das Amtsgericht hat nicht hinreichend dargelegt, dass besondere Umstände im Sinne dieser Vorschrift eine Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten ist nur dann auszusprechen, wenn sich diese Sanktion aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist. Angesichts der Feststellung, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, einsichtig erscheint und zur Tatzeit alkoholisiert war, dürfte allein der Umstand, dass es sich bei der Droge, auf deren Erwerb sich der Vorsatz des Angeklagten bezog, um Kokain handelt, nicht ausreichen, um bereits die Verhängung einer zweimonatigen Freiheitsstrafe zu begründen.


DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
JuraBlogs - Die Welt juristischer Blogs
 

kostenloser Counter

XING frisch gebloggt Newstin Piratenblogger Blog Top Liste - by TopBlogs.de