Da ich erneut auf völlige Unkenntnis der rechtlichen Voraussetzungen ermittelnder Polizeibeamter bezüglich einer Wahlgegenüberstellung in einem Strafverfahren getroffen bin, zum wiederholten Male dies: 
A.
Die  unrichtige Identifizierung des Tatverdächtigen durch Augenzeugen bei  Gegenüberstellung oder Lichtbildvorlage ist eine Hauptursache für  Fehlurteile im Strafverfahren.
Das  Wiedererkennen beruht auf einem Vergleich der Identität einer  gegenwärtigen mit einer vergangenen Wahrnehmung. Die von dem Zeugen  verlangte Leistung besteht darin, das in seinem Gedächtnis ruhende  Erinnerungsbild von dem früher wahrgenommenen Täter mit der persönlichen  Erscheinung des ihm gegenübergestellten Verdächtigen zu vergleichen.
Die  Richtigkeit einer Identifizierung hängt nicht allein oder auch nur zu  einem wesentlichen Teil vom guten Willen des Zeugen und seiner  Ehrlichkeit ab. Die in dem Wiedererkennen liegende Aussage des Zeugen  ist ein Endprodukt eines komplexen Vorgangs, der äußerst fehleranfällig  ist.
Das  Wiedererkennen entwickelt sich in einem dreistufigen Prozess über die  Phasen Wahrnehmung, Erinnerung und Wiedergabe. In jeder dieser Phasen  können sich zahlreiche psychologische Fehler einschleichen, die die  Zuverlässigkeit und damit den Beweiswert der Identifizierung  beeinträchtigen.
Die  Wiedergabe des Wahrgenommenen und Erinnerten vollzieht sich in der  Gegenüberstellung mit dem Beschuldigten. Die Art und Weise, wie die  Gegenüberstellung durchgeführt wird, hat entscheidenden Einfluss auf die  Zuverlässigkeit der Identifizierung. Die Gegenüberstellung selbst ist  eine potentielle Fehlerquelle ersten Ranges. Die erschreckend hohen  Fehlerquoten durch falsches Wiedererkennen sind darauf zurückzuführen,  dass das Wiedererkennen mehr als jede andere Aussage, mit der ein  zusammenhängender Geschehensablauf geschildert wird, durch suggestive  Einflüsse verfälscht und eine einmal erfolgte Falschidentifikation nicht  mehr korrigiert werden kann.
Die  bei einer ersten Gegenüberstellung oder Ljchtbildvorlage wirksam  gewordenen suggestiven Einflüsse belasten jedes weitere Wiedererkennen,  weil eine fehlerfreie Wiederholung der Gegenüberstellung nicht möglich  ist. Eine wesentliche und in Psychologie und Rechtsprechung des BGH  unangefochtene Erkenntnis ist, dass jedes dem ersten Wiedererkennen  folgende, also das wiederholte Wiedererkennen ohne jeden Beweiswert ist.
Der  bei dem ersten Wiedererkennen des vermeintlichen Täters gewonnene  Eindruck setzt sich unbewusst an die Stelle der ursprünglichen  Wahrnehmung und überlagert diese völlig. Da dieser Prozess im  Unbewussten abläuft, helfen auch Beteuerungen des Zeugen nichts, durch  die erste Gegenüberstellung, Lichtbildvorlage oder Wahllichtbildvorlage  nicht voreingenommen zu sein.
Beruht  die erste Identifizierung auf einem Irrtum, so wird jedes folgende  Wiedererkennen durch diesen Irrtum beeinflusst, letztlich auch deshalb,  weil der Zeuge vor sich selbst einräumen müsste, sich bei dem ersten  Wiedererkennen getäuscht zu haben.
Der bei der ersten Gegenüberstellung, Lichtbildvorlage oder  Wahllichtbildvorlage eingetretene Schaden ist folglich irreparabel.
B.
Es  lassen sich bestimmte Grundanforderungen aufstellen, denen eine  Gegenüberstellung oder ein ähnlicher Vorgang entsprechen müssen, wenn  das Ergebnis auch nur halbwegs zuverlässig betrachtet werden soll:
I.
Es muss sichergestellt werden, dass der Zeuge seine Entscheidung, ob er den Täter
wiedererkennt  oder nicht, ausschließlich an sachgerechten Kriterien orientiert.  Sachgerecht sind solche Kriterien, die ihren Ursprung in der  Übereinstimmung zwischen aktueller Wahrnehmung und Erinnerung an den  Täter haben. Sachwidrig sind alle Faktoren, die den Beschuldigten,  Angeschuldigten oder Angeklagten erst aufgrund der  Gegenüberstellungssituation als möglichen Täter kennzeichnen.
II.
Die Identifizierungsschwelle muss so hoch angesetzt werden, dass der Zeuge eine
Identifikation  erst vornimmt, wenn Zahl oder Gewicht der von ihm wahrgenommenen  Ähnlichkeitsmerkmale das Vorhandensein einer bloß zufälligen  Übereinstimmung
weitgehend ausschließen.
III.
Die  Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage muss so durchgeführt  werden, dass eine Identifizierung nicht auf bloßem Zufall oder auf  anderen Faktoren als der Übereinstimmung zwischen der Erinnerung an die  frühere und dem Erlebnis der gegenwärtigen Wahrnehmung beruhen kann.  Sachfremde Hinweise oder Ablenkungen, die von dem nach einer „richtigen“  Entscheidung suchenden Zeugen aufgegriffen werden können, sind zu  vermeiden. Solche suggestiven Signale können ausgestrahlt werden von den  Mitzeugen, den Auswahlpersonen, den an der Gegenüberstellung oder  Lichtbildvorlage beteiligten Beamten, Staatsanwälten oder Richtern und  schließlich von dem Beschuldigten selbst.
Nicht  wenige Ermittlungsbeamte, die aus welchen Gründen auch immer von der  Täterschaft eines Beschuldigten überzeugt sind, drängen Zeugen faktisch  dazu, genau den Beschuldigten „wiederzuerkennen“, ein an Dreistigkeit  kaum zu überbietendes immer wieder vorkommendes Schulbeispiel für die  denkbar falscheste Vorgehensweise ist das Plazieren des einer einzelnen  verdächtigen Person in einem Streifenwagen, um mit dieser dann an einem  oder auch noch mehreren Zeugen langsam vorbeifahren, die dann  erfahrungsgemäß allein wegen dieser absurden Situation, die an das  Vorführen eines Eisbärenkindes im Zoo erinnert, wie aus einem Munde:  „Das ist er!“ schreien.  
IV.
Vor  der Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage dürfen die Zeugen weder  den Vergleichspersonen noch dem Beschuldigten begegnen.
V.
Sofern mehrere Tatzeugen vorhanden sind, sind diese getrennt zu halten, um eine gegenseitige Beeinflussung auszuschließen.
VI.
Um  eine eventuell folgende Identifikation auf ihre Zuverlässigkeit hin  überprüfen zu können, sind die Zeugen vor einer Gegenüberstellung oder  Wahllichtbildvorlage einzeln und in Abwesenheit der anderen Zeugen zu  vernehmen. Der jeweilige Zeuge muss den Täter vor der Gegenüberstellung  möglichst detailliert beschreiben.
VII.
Bei  dem Zeugen darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Täter sich  unter den gegenübergestellten Personen oder auf den vorgelegten Fotos  befinden müsse. Die Möglichkeit, niemanden aus der Personengruppe oder  den vorgelegten Fotos zu identifizieren, muss als reale Alternative  erhalten bleiben.
VIII:
Die  Zusammenstellung der Vergleichspersonen hat nach dem Grundsatz des  „fairen Verfahrens“ zu erfolgen. Von einer fairen Gegenüberstellung kann  nur gesprochen werden, wenn die Vergleichspersonen dem Beschuldigten  sowohl nach dem Gesamtbild der äußeren Erscheinung, also nach Größe,  Gestalt und Alter, als auch hinsichtlich der vom Zeugen beschriebenen  besonderen Tätermerkmale ähneln. Die Vergleichspersonen müssen alle die  besonderen Merkmale aufweisen, die dem Zeugen an dem Täter besonders  aufgefallen sind.
Unterscheidet  sich der Beschuldigte trotz ähnlicher Gesamterscheinung in nur einem,  dem Zeugen aufgefallenen Merkmal von den Vergleichspersonen, handelt es  sich nur scheinbar um eine Wahlgegenüberstellung, in Wirklichkeit aber  um eine Ejnzelgegenüberstellung, weil sich der Beschuldigte als Täter  aufdrängen muss.
Das  gilt auch bei der Wahllichtbildvorlage. Die Fotos dürfen weder in ihrem  Format, der Art ihrer Herstellung  (Sofortbild/Dia/Negativabzug/Schwarz-Weiß/Farbe etc.) oder in anderen  Unterscheidungsmerkmalen (Fahndungsfotos im Vergleich zu Passfotos)  voneinander abweichen.
Jegliche digitale Manipulation an gespeicherten Fotos ist zwingend zu unterlassen.
IX.
Die  Leitung der Gegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage ist einem mit  den Ermittlungen nicht befassten Polizeibeamten, Staatsanwalt oder  Richter anzuvertrauen, weil die Beeinflussung des Zeugen durch  unbewusstes nonverbales Verhalten des Sachbearbeiters durch zahlreiche  Untersuchungen nachgewiesen ist.
C.
Wird  während der Ermittlungen gegen diese Grundsätze verstoßen, wird der  Zeuge sofort „wertlos“, wegen oben dargestellter Grundsätze ist auf  seine weitere Vernehmung, soweit sie die Identifizierung des Täters  angeht, uneingeschränkt zu verzichten, unter Verstoß gegen obige  Grundsätze erlangte Ermittlungsergebnisse sind zu vernachlässigen.
Sowohl Polizeidienstvorschriften (PDV 100) als auch die RiStBV schreiben statt der Einzelgegenüberstellung die Wahlgegenüberstellung vor. 
So heißt es in Nr. 18 RiStBV:
Soll  durch eine Gegenüberstellung geklärt werden, ob der Beschuldigte der  Täter ist, so ist dem Zeugen nicht nur der Beschuldigte, sondern  zugleich auch eine Reihe anderer Personen gleichen Geschlechts,  ähnlichen Alters und ähnlicher Erscheinung gegenüberzustellen, und zwar  in einer Form, die nicht erkennen lässt, wer von den Gegenübergestellten  der Beschuldigte ist (Wahlgegenüberstellung).
Deutlicher  kann das Gewollte kaum mit kurzen Worten zusammengefasst werden, um so  erstaunlicher, wie oft Polizeibeamte gegen diese eigentlich einfachen  Grundsätze verstoßen und mit welcher ignoranten Selbstverständlichkeit  diese Verstöße von Staatsanwälten dann hingenommen werden.
Herr  Wolf-Dietrich Brodag, ehemals Kriminaldirektor und u.a. Lehrbeauftragter und  Leiter an verschiedenen Landespolizeischulen, der nun sicher nicht  verdächtig ist, besonders
beschuldigten-  oder verteidigerfreundlich zu sein, lässt sich in seinem Werk  „Kriminalistik“, 7. Auflage 1995, Randnummer 356 wie folgt aus:
Einzelgegenüberstellung (en).. haben aufgrund ihres geringen Beweiswertes i.d.R. zu unterbleiben (BGH NStZ 1982, 342). Eine Gegenüberstellung hat aber keinen  Beweiswert, wenn dem Zeugen nur der Beschuldigte als Einzelperson und  möglicher Täler vorgestellt wird und die zuvor von diesem Zeugen  abgegebene Täterbeschreibung nicht zum Beschuldigten passt.
Auch  ein Klassiker der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen, nämlich  Handbuch der Psychologie, 11. Band, Forensische Psychologie, 1967,  Prof. Dr. Udo Undeutsch, Seite 65, stellt als völlig unbestritten fest:
            
Bei  der Durchführung von Wiedererkennungsversuchen können schwerwiegende  und später nicht mehr korrigierbare methodische Fehler gemacht werden. Vor allem ist immer erforderlich, dass mehrere Personen unter gleichen Verhältnissen dem Zeugen vorgestellt werden.
DEIN RECHT IST MEIN JOB