24 November 2011

Auf die Mütze

Ein Amtsgericht war mal wieder froh, eine Sache elegant vom Tisch fegen zu können, weil niemand erschienen war. Das sah das Landgericht Potsdam dann doch etwas anders (Beschl. vom 07.09.2011 24 Qs 97/11):

Der Betroffene war ohne sein Verschulden an der Teilnahme am Hauptverhandlungstermin verhindert. Mit Beschluss vom 31. März 2011 wurde er von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden. Dem Grundsatz eines fairen Verfahrens folgend konnte er daher davon ausgehen, nicht erscheinen zu müssen und allein wegen seiner Abwesenheit keine Nachteile zu erleiden. Er konnte sich darauf verlassen, dass sein Verteidiger -absprachegemäß- zum Termin erscheinen werde; zur Überwachung des Verteidigers ist der Betroffene nicht verpflichtet. Dies gilt auch unabhängig von dem Vorliegen einer Vollmacht nach § 73 Abs. 4 OWiG, da das Fehlen der Vertretungsvollmacht lediglich bewirkt, dass der Verteidiger keine Erklärungen anstelle des Betroffenen abgeben kann. Ansonsten hat er jedoch sämtliche dem Verteidiger zustehende Befugnisse.Der Betroffene muss sich zudem auch nicht das Ausbleiben seines Verteidigers im Hauptverhandlungstermin zurechnen lassen. Denn, wie ausgeführt, ist es unerheblich, ob eine Vollmacht nach § 73 Abs. 3 OWiG vorgelegen hat oder nicht, denn auch im letzteren Fall hätte nach § 74 Abs. 1 OWiG verfahren werden können. Zudem hätte es ausgereicht, wenn der Verteidiger die Vollmacht zum Hauptverhandlungstermin mitgebracht hätte, was aufgrund seines schweren Unfalls jedoch nicht möglich war. 


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5 Kommentare:

kj hat gesagt…

Der Richter konnte doch nicht wissen, das der Anwalt einen Unfall hatte.
Der Mandant hätte doch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen können oder ging es darum das dieser verweigert wurde?
Falls ja, typisch Ossis, immerhin gibt es Ausnahmen wie wohl die Kammer in Potsdam!

Werner Siebers hat gesagt…

Ja, das Amtsgericht hatte den Wiedereinsetzungsantrag abgebügelt.

Pascal Rosenberg hat gesagt…

@kj:

Sind Sie so freundlich und verraten uns Ihr Alter? Falls dies auf ein Geburtsdatum im oder hinter dem Jahre des Mauerbaus schließen liesse, so finde ich den Anwurf "typisch Ossis" doch wohl etwas unangemessen.

Die "Ossis" und die "Wessis" sind nämlich, wer in Geschichte aufgepasst hat weiß das, nicht freiwillig geteilt worden und damalig fanden das einige Familien gar nicht so lustig.

Dass es mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall immer noch einige ewig gestrige wie Sie gibt, die lediglich anscheinend das Glück hatten, und mehr war es ja nicht, auf der "besseren" Seite geboren zu werden, ist der Grund warum ein durch andere geteiltes Land immer noch nicht wieder zusammengewachsen ist.

Und was krasse Fehlurteile anbelangt, so finden Sie diese auch bei westlichen Amts-, Land- oder auch Oberlandesgerichten, Sie Besser-Wessi.

kj hat gesagt…

@Rosenberg
ich bin ein Jahr nach dem Mauerfall aus dem Westen in den Osten gezogen und hätte noch vor zehn Jahren solche Urteile nicht abgegeben. Damals war die Justiz vielleicht noch nicht erfahren. Ich muss aber feststellen, das die Rechtsstaatlichkeit zumindest in Sachsen immer mehr den Bach runter geht, was auch der Spiegel feststellte. Wenn ein Richter in Sachsen-Anhalt bis zum BGH wegen Rechtsbeugung verfolgt wird, weil er einen Vietnamesen bei einer Haftprüfung frei liess. obwohl die Entscheidung noch nicht einmal falsch war, dann ist das ein Skandal, der dort aber offenbar niemand juckt. Sicherlich gibt es überall harte oder krasse Urteile, aber im Osten treten sie gehäuft auf. Es scheinen trotz 20 Jahre Mauerfall immer noch Strukturen vorzuliegen, die einen Polizeistaat fördern. Es muss dazu gesagt werden, das sich viele ehemalige Wessis in diesen Strukturen pudelwohl fühlen.

Pascal Rosenberg hat gesagt…

@kj:

Und ich muss sagen, dass ich unabhängig davon wie Recht Sie mit der Feststellung der, ja das betone ich, teilweise eklatanten Mängel der Rechtssprechung haben, die Art und Weise des Abschlusses Ihrer Argumentation nicht nachvollziehen kann. Der erste Teil ihres letzten Satzes war absolut unnötig und trägt genau zu diesen Konflikten bei.

Und Sie versuchen ja nicht mal, das von mir gezeichnete Bild zu revidieren sondern suchen vielmehr im Spiegel noch einen Bestätiger Ihrer Argumentation. Aber typisch Ossis ist eine Verallgemeinerung. Und die gehört 20 Jahre nach dem Mauerfall ebensowenig in dieses Land, wie Gerichte, die unsachgemäße Urteile fällen.

 

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