Das Amtsgericht hatte den Einspruch des Angeklagten gegen einen Strafbefehl verworfen, weil dieser angeblich ohne Angabe von Entschuldigungsgründen in der Hauptverhandlung nicht erschienen war.
Dem war vorausgegangen:
Der Amtsrichter hatte Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Ich habe mich als Verteidiger gemeldet und zugleich um Akteneinsicht gebeten. Durch den Mandanten erfuhr ich von der Ladung. Da ich an diesem Tage einen Termin vor dem Landgericht Stendal wahrzunehmen hatte, habe ich beim Amtsgericht die Aufhebung des Termins beantragt.
Gegen den diesen Antrag ablehnenden Beschluss habe ich Beschwerde eingelegt sowie den zuständigen Amtsrichter zugleich wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, das Ablehnungsgesuch verworfen und das angefochtene Urteil erlassen.
Auf meine Sprungrevision hat das Oberlandesgericht Braunschweig mit dankenswerter Deutlichkeit dieser amtsrichterlichen Unbeweglichkeit die Grenzen aufgezeigt (StV 2004, 366) und ausgeführt:
Die amtsgerichtliche Verfahrensweise ist rechtsfehlerhaft, verletzt den Angeklagten in seinem Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 c MRK) und verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Denn durch die Ablehnung der begehrten Terminsverlegung ist dem Angeklagten das Recht genommen worden, sich in der Hauptverhandlung von dem zu diesem Zeitpunkt verhinderten Rechtsanwalt Siebers als Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.
Schade, dass nicht viel öfter dem einen oder anderen sich in selbstverliebter Terminshoheit sonnenden Amtsrichter so deutlich gezeigt wird, wo Bartel den Most holt.
23 Oktober 2005
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2 Kommentare:
Derartige Dreistigkeiten erlebt man leider nicht nur im OLG-Bezirk Braunschweig. Auch im OLG-Bezirk Naumburg mußte eine Amtsrichterin durch einen Beschluß des zuständigen Landgerichts lernen, daß man den Verlegungsantrag eines Verteidigers nicht mit dem Satz "Eine Verlegung des Termins kommt nicht in Betracht" bescheiden sollte!
Das ist dort nicht begrenzt. Auch im Bereich des OLG Hamm - Konkret im Bereich des LG Siegen - ist das recht häufig.
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