19 September 2010

Ausgeigelt

Hier habe ich berichtet über die mal wieder aufgetretene Igelsucht, bei der immer wieder die Vermutung im Raum steht, dass manche Gerichte bei der Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers die tatsächlich vorliegenden Voraussetzungen gerne übersehen, so dass der Eindruck entsteht, sie befürchten, die entsprechenden Kosten aus eigener Tasche bezahlen zu müssen.

Glücklicherweise hat das zuständige Landgericht in Magdeburg (22 Qs 912 Js 70293/10 (62/10) vom  18.09.2010) den entsprechenden Beschluss des Amtsgerichtes aufgehoben und ausgeführt:

Somit war bei der Entscheidung, ob die Beiordnung eines Verteidigers erforderlich erscheint, zu berücksichtigen, dass zwar die zu erwartenden Rechtsfolgen nicht so gravierend sein werden, das Adhäsionsverfahren auch keinen direkten Einfluss auf die zu erwartenden Rechtsfolgen hat, aber zivilrechtliche Schadensersatzforderungen geltend gemacht werden, die insgesamt den Umfang der an den Verfahrensgegenstand geknüpften Tatfolgen deutlich erhöhen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen und dass ebenfalls zwei Mitangeklagte jeweils durch einen Rechtsanwalt vertreten werden, erscheint es gerechtfertigt, dem Angeklagten dieselben Möglichkeiten zu gewähren, wie sie die anderen Beteiligten erhalten.

Leider hat man bei der Formulierung des Beschlusses sehr feinsinnig formuliert, es erscheine gerechtfertigt, einen Verteidiger beizuordnen. Tatsächlich hätte es heißen müssen, dass es notwendig ist, dass hier ein Verteidiger beigeordnet wird, nicht umsonst heißt es im Gesetz: notwendige Verteidigung!



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STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
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5 Kommentare:

Detlef Burhoff hat gesagt…

arbeitet man am LG Magdeburg Samstags (siehe das Beschlussdateum) :-) :-)

Werner Siebers hat gesagt…

@Detlef Burhoff

Nein, ich hatte so viele Freudentränen über die Beiordnung in den Augen, dass ich mich verlesen habe: Es war der 16.!

Ein Weiser aus dem Abendland hat gesagt…

"Müssen" ist hier leider Quatsch, da die Bestellung in den Fällen des § 140 Abs. 2 StPO im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden steht (vor lauter Freudentränen haben Sie außerdem überlesen, dass "notwendig" nur in Abs. 1 steht).

kj hat gesagt…

@weiser
pflichtgemäßes Ermessen heißt in den allermeisten Fällen "muss". So liegt die Sache wohl auch hier, sonst hätte das Landgericht nicht die Entscheidung des Amtsgerichts als rechtsfehlerhaft aufheben dürfen.
Umgekehrt, wenn die Sache einfach ist, der Angeklagte keine intellektuelle Defizite aufweist und es lediglich um eine Geldstrafe geht, ergibt das pflichtgemäße Ermessen, das kein Pflichtverteidigung bestellt werden darf.

Werner Siebers hat gesagt…

Außerdem ist "pflichtgemäßes Ermessen" objektiv begrenzbar, sonst käme es zur Willkür. Und innerhalb dieser objektiv definierbaren Grenze ist die Beiordnung ein MUSS.

Und der Begriff er "notwendigen Verteidigung" gilt für jede Beiordnung, auch nach Absatz 2.

 

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