Im Rahmen meiner kleinen Igel-Serie habe ich schon mehrfach berichtet, dass bei manchen Gerichten der Eindruck entsteht, dass Entscheidungsträger einen Igel in der Tasche haben, wenn es um die Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers geht.
Jetzt habe ich schon wieder einen solchen Igelträger. Ein Heranwachsender ist mit mehreren anderen vor dem Jugendschöffengericht angeklagt wegen gemeinschaftlicher -und damit gefährlicher- Körperverletzung.
Alle anderen Mitangeklagten sind verteidigt und ihnen wurde ein Pflichtverteidiger beigeordnet. Einem angeblichen Opfer wurde Prozesskostenhilfe für einen Adhäsionsantrag gewährt.
Das reicht dem Gericht alles nicht, der Beiordnungsantrag wird abgelehnt, weil dieser Angeklagte nicht so heftig vorbelastet ist und weil angeblich seine Tatbeiträge nicht so erheblich waren (was bei dem Vorwurf der gemeinschaftlichen Körperverletzung dummerweise nicht gerade eine tragende Rolle spielen dürfte).
Muss das Landgericht wohl um regulierenden Eingriff gebeten werden.
DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
11 Kommentare:
Der Igel gehört da auch hin. Großzügigkeit nach dem Motto "Ist doch nicht mein Geld" ist jedenfalls fehl am Platze.
Versagung der Pflichtverteidigung, obwohl erkennbar und eindeutig die Voraussetzungen vorliegen, hat nichts mit Großzügigkeit sondern mit Rechtsstaatlichkeit zu tun.
Ich habe wirklich bei vielen Richtern den Eindruck, dass sie die Pflichtverteidigergebühren selbst zahlen müssen.
Bei wieder anderen habe ich den starken Eindruck, dass sie überhaupt keine Ahnung haben, wann ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist.
@ steuerzahler: auch Anwälte zahlen Steuern. Sie verstehen was ich meine?
Die Kölner Richtlinien aus dem Jahre 1987 sind Ihnen ja sicher bekannt, da heißt es ja schon, dass bei Jugendschöffengerichtsverfahren eine Verteidigung in allen verfahren immer ein notwendige ist.
Die ganzen anderen Argumente wie Waffengleichheit, Schwierigkeit etc. braucht man da eigentlich ja schon nicht mehr.
Da kann man nur den Kopf schütteln.
Wenn es "unser" LG ist, das es richten soll, sehe ich schwarz. Die erkennen einen Fall der notwendigen Verteidigung nicht mal dann, wenn der Erwachsene im Parallelverfahren einen Pflichti bekommen hat, der Jugendliche sich aber doch wohl gut allein verteidigen können soll.
@ RA Anders: Schade nur, dass die meisten gerichte sich um die Kölner Richtlinien einen Sch....scheren...
Die Kölner Richtlinien sind eine Meinungsäußerung, mehr nicht.
Den Rechtssatz, dass allein aufgrund der Tatsache, dass die Mitangeklagten verteidigt sind, ein Fall der notw. Vert. gegeben ist, gibt es nicht, jedenfalls nicht als in der Rspr. anerkannte Aussage. Es mag sein, dass hier noch mehr hinzukommt, aber davon wissen wir nichts. Es macht auch einen Unterschied, ob der Angekl. 16 oder 20 ist.
Man muss halt genau hinschauen, und genau das habe ich mit der Aussage, (blinde) Großzügigkeit sei fehl am Platze, gemeint.
Wenn das Gericht sich schon festlegt, dass das bei diesem Angekl. alles halb so wild ist, ist das im übrigen auch nicht das Schlechteste.
aber die Beiordnung bzw. PKH-Bewilligung für das Opfer ist durchaus ein Grund.
Und alles zusammen genommen ist mehr als genug für eine Beiordnung.
Als Außenstehender, aber auch als Richter, hat man leicht reden. Wenn man sich aber mal versucht in die Lage eine jugendlichen/heranwachsenden Angeklagten zu versetzen, der ganz alleine vor Gericht stehen soll und dann sind auch noch alle anderen anwaltlich vertreten, dann sieht man das schnell anders.
Und es ist ja nicht so, dass es beim Jugendschöffengericht um nichts gehts...es steht immerhin Jugendstrafe im Raum...
... und bei einem nicht unvorbelasteten Heranwachsenden vielleicht die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht mit einer Mindeststrafandrohung von sechs Monaten.
Aber der Steuerigel wird schon wissen, warum er auf welcher Seite steht.
Wichtig ist mir noch, darauf hinzuweisen, was der Kollege Burhoff dazu hier:
http://blog.strafrecht-online.de/2010/09/der-igel-und-die-waffengleichheit-im-strafverfahren/
gesagt hat.
1) Ist für Jugendsachen nicht das Amtsgericht, sprich der Jugendrichter zuständig?
2) Ein Angeklagter, der sich selbst verteidigt, ist in 80 Prozent der Fälle immer im Nachteil gegenüber dem, der einen guten Verteidiger hat.
Da müsste man aus dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit und der Waffengleichheit gegenüber Staatsanwalt und Gericht eigentlich fast immer einen Pflichtverteidiger beiordnen.
Und welcher Sachverhalt ist wirklich so klar und einfach, das eine Koryphhäe im Strafrecht sie nicht selbst bei einem Geständnis kompliziert machen könnte, wie durch olymische Strafzumessungs-begründungen.
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