06 Juni 2009

Hans-Joachim Selenz zu der Porsche - VW - Polka

Ein Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz zu VW/Porsche

VW/Porsche: Organversagen

Die Vorstellung des neuen VW-Polo am 11. Mai auf Sardinien nutzte Porsche-Gesellschafter und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech zu „einer Hinrichtung für Porsches Management“. Eckhard Schimpf, Reporter der Braunschweiger Zeitung, berichtete direkt aus Olbia.

An Piechs Seite: VW-Vorstandschef Winterkorn, Betriebsratschef Osterloh und Staatssekretaer Glaeseker als Vertreter von Niedersachsens Ministerpraesident Wulff. Die Runde sei sich so einig, dass „kein Blatt zwischen uns passt“, so Piech.

„Eine warme Abendsonne streichelte die Grate der Sardischen Berge und liess das Meer smaragdgruen schimmern.

Und ploetzlich plauderte er. Und jeder Satz ist eine Waffe.

Messerscharf:

„Porsche ist ohne Innovationskraft.

Die neue Holding wird ihren Sitz in Wolfsburg haben.

Winterkorn und ich haben gern das Sagen. Ueberall.

Ich weiss nicht, wie hoch die Schulden bei Porsche sind.

Die Herren dort liessen sich schon immer ungern in die Karten sehen.

Es ist mir nie gelungen, Klarheit ueber die Risiken der Optionsgeschaefte zu gewinnen.

Man versicherte mir stets, alles sei in Ordnung.

Ich habe dann erst ueber den VW-Finanzvorstand, Herrn Poetsch, davon erfahren. Und das ist auch nicht der richtige Weg. Herr Poetsch ist nun deutlich, deutlich kreditwuerdiger.“

O-Toene des Porsche-AR-Mitgliedes Piech.

Die Kroenung der oeffentlichen Hinrichtung der eigenen Firma stand jedoch noch bevor. Auf die Frage, was Porsche bei einem Verkauf wert sei, verkuendete Piech: „Elf Milliarden Euro sind sicher einige Milliarden zu hoch gegriffen.“

So zu lesen im Handelsblatt und im Tagesspiegel. Fuer diese Zeitungen schrieb Marc C. Schneider aus Olbia.

„Einige“ steht gemeinhin fuer „mehrere, paar“. Andere Zeitungen schreiben auch von „ein paar Milliarden“.

Wann hat man derartige Aeusserungen eines Gesellschafters zum Wert der eigenen Firma je gehoert? Und das alles in der Oeffentlichkeit. Mit den Pflichten eines Organs einer Aktiengesellschaft - Vorstand und Aufsichtsrat - sind derartige Aussagen komplett unvereinbar.

Nun waere das alles kein Beinbruch, wenn die Porsche AG dem Porsche/Piech-Clan allein gehoerte. Dort ist man Kummer gewoehnt. Die beiden Familien besitzen zwar 100 Prozent der
stimmberechtigten Stammaktien. Die Vorzugsaktien sind indes weit gestreut. Diese Aktionaere und auch die Porsche-Mitarbeiter werden Piechs Aeusserungen juristisch definitiv anders werten als die Clan-Mitglieder.

Es geht um „einige Milliarden Euro“.

Am 16. Mai erfuhr sodann der SPIEGEL-Leser, zwischen den Familien Porsche und Piech gaebe es „nach Informationen des SPIEGEL heftige Auseinandersetzungen um die Aeusserungen von VW-Patriarch Piech am Rande einer Polo-Praesentation auf Sardinien. Wolfgang Porsche und andere Mitglieder des Clans fuerchten, dass Piech den moeglichen Preis, den ein Verkauf der Porsche AG an den VW-Konzern erzielen koennte, heruntergeredet habe. Auf die Frage, ob der Wert von elf Milliarden Euro fuer Porsche richtig sei, hatte Piech gesagt: „Das ist sicherlich ein paar Milliarden zu hoch gegriffen. „Paar“ gross geschrieben.““

Das ist - fuenf Tage nach der Veranstaltung auf Sardinien - eine ganz neue Variante. Dazu stellen sich mindestens drei Fragen:

1. Warum bringt der SPIEGEL fuenf Tage nach der Veranstaltung eine neue Piech-Aussage?

2. Handelt es sich eventuell um eine journalistische Gefaelligkeit zur juristischen Schadensbegrenzung?

D. h. soll durch die Festlegung auf die Zahl Zwei (Paar groß geschrieben) der Schaden aus Sicht der Porsche-Vorzugsaktionären begrifflich reduziert werden?

3. Was sagt der Deutsche Presserat zu einer derart kreativen Nachrichtengestaltung?

Inzwischen wurde bekannt, dass VW im Maerz 2009 der Porsche AG einen Kredit in Hoehe von 700 Mio. Euro zur Verfuegung stellte. Es ist zumindest anzunehmen, dass Porsche-AR-Mitglied Piech in seiner zweiten Funktion als VW-AR-Chef diesen Deal mit abgesegnet hat.

Glaubt man seiner Aussage auf Sardinien, so tat er dies in voelliger Unkenntnis der finanziellen Situation bei der Porsche AG. Das wiederum ist aus Sicht der VW-Aktionaere nicht akzeptabel.

Dem staunenden Buerger stellt sich im Zuge der Finanzkrise immer haeufiger die Frage, warum Organe einer Gesellschaft wegen erwiesenen - und hier zudem oeffentlich eingestandenen -
Versagens, nicht des Feldes verwiesen werden.

Sollte die Meldung des Presse-Organs SPIEGEL vom 16. Mai dazu gedient haben, das Organversagen in einer Aktiengesellschaft durch die Manipulation einer oeffentlichen Aussage zu verschleiern, haetten wir es gar mit doppeltem Organversagen zu tun.

Peine, den 6. Juni 2009
gez. Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz

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