28 Februar 2010

Vergessen und Ausgesessen

Dass u.a. das Bundesverfassungsgericht bei Durchsuchungen die Frage der Verhältnismäßigkeit immer wieder in den Vordergrund gestellt hat, weil es sich immerhin um Grundrechtseingriffe handelt, interessiert in Braunschweig Amtsgericht und Polizei eher weniger.

Am 20.11.2009 erlässt der Ermittlungsrichter einen Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachtes des Verkaufes von Marihuana im Wert von 20,00 € und weil der Beschuldigte verdächtig ist, selbst zu konsumieren. Dass das gar nicht strafbar ist, hindert ihn nicht daran, diesen Umstand in die Begründung aufzunehmen.

Am 02.02.2010, als ca. 2 1/2 Monate später wird dann die Durchsuchung durchgeführt.

Mal wieder ein kollusives Herumgetrampel auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Aber was interessiert schon in der Provinz die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; sollen die doch machen, was sie wollen!

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung


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12 Kommentare:

Jochen hat gesagt…

Dass bei einem Verdacht des Handeltreibens mit Btm eine Durchsuchung verhältnismäßig ist, sollte sich eigentlich von selbst verstehen.

Werner Siebers hat gesagt…

Darüber mag man streiten bei einer einzigen angeblichen Tat mit 20,00 € für eine weiche Droge; aber ganz sicher nicht mehr 2 1/2 Monate nach Erlass des Durchsuchungsbeschlusses!

Anonym hat gesagt…

20€ für Gras sind 7 bis 3g je nach Region. Echt schlimm sowas.... Das fällt unter Eigenbedarf. Aber sicher ging es gar nicht um das Gras, sicher hat man gleich nach Handys oder härteren BTM gesucht...

Jochen hat gesagt…

Das BVerfG spricht von sechs Monaten (und nicht von zweieinhalb!), nach deren Ablauf die Vollziehung des Durchsuchungsbeschluss unzulässig sein soll.

Werner Siebers hat gesagt…

@Jochen: Falsch! Sechs Monate ist die absolute Höchstfrist, die deutlich zu verkürzen ist, je geringer der Vorwurf.

Die Kombination von weicher Droge für 20,00 € und 2 1/2 Monate geht nun mal gar nicht, da kann man herumeiern, wie man will.

Jochen hat gesagt…

Gibt es für die angebliche Aussage, "Sechs Monate ist die absolute Höchstfrist, die deutlich zu verkürzen ist, je geringer der Vorwurf", auch eine Fundstelle?

Und natürlich ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht auf den einmaligen Verstoß abzustellen, sondern auf das gewerbsmäßige Handeltreiben, das mit der Durchsuchung nachgewiesen werden soll.

Pascal hat gesagt…

@Anonym: Was hat "Eigenbedarf" mit "Verkauf" zu tun?

"Die 50 kg Marihuana waren Eigenbedarf. Ich wollte sie in handelsüblichen Mengen zu je 5g verkaufen, zur Bestreitung meines Unterhalts..."

Davon abgesehen hätte ich aber auch Bauchschmerzen mit der Verhältnismäßigkeit. Aber offenbar sieht die Praxis keine Vergleichbarkeit zwischen Wohnungseinbruchsdiebstahl, der wegen der Verletzung der Intimsphäre höher bestraft wird, und der Verletzung der Intimsphäre durch freundliche Herren in grün/blau, um 6 Uhr morgens.

Werner Siebers hat gesagt…

Ach Jochen, bald nehm ich Honorar für die Fortbildung:

"Der Zweck des Richtervorbehalts hat Auswirkungen auch auf den Zeitraum, innerhalb dessen die richterliche Durchsuchungsanordnung vollzogen werden darf. Spätestens nach Ablauf eines halben Jahres verliert ein Durchsuchungsbeschluß seine rechtfertigende Kraft."

BVerfG, Beschluß vom 27.05.1997 - 2 BvR 1992/92

Was das Wort "SPÄTESTENS" zu bedeuten hat, muss ich hoffentlich nicht auch noch erklären.

Und besonders interessant LG Braunschweig StraFo 07, 288 (nicht nur wegen des Einsenders).

Jochen hat gesagt…

Sagen wir es doch mal deutlich: Entscheidungen, die die Behauptung stützen, eine Durchsuchungsanordnung dürfe unter Umständen - abhängig von der Schwere des Tatvorqurfs - schon nach zweieinhalb Monaten nicht mehr ausgeführt werden, gibt es nicht.

In der zitierten Entscheidung des LG Braunschweig ging es um 6 Monate minus zwei Tage, und das Gericht hielt die Vollziehung des Duchsuchungsbeschlusses auch nur deshalb für unzulässig, weil die Behörde mutwillig mit der Ausführung der Vollstreckung gewartet hatte.

Werner Siebers hat gesagt…

Sagen wir es doch mal deutlich: Das Wort "SPÄTESTENS" gibt es in Ihrem Wortschatz offensichtlich nicht. Die Frage der Verhältnismäßigkeit richtet sich übrigens nach der zu erwartenden Strafe. Und was gibt es für den verkauf von weicher Droge für 20,00 €????

Und die "Hoffnung", durch "Zufallsfunde" nun plötzlich aus einem einzigen vorgeworfenen Verkauf auf gewerbsmäßiges Handeltreiben (Zitat Jochen) zu kommen, zeigt, mit welcher Unverschämtheit unsere Justiz die Grundrechte mit Füßen tritt!

Jochen hat gesagt…

Eigentlich ist es doch gar nicht so schwer: Die Durchsuchung erfolgte nicht zu dem Zweck, den einen 20€-Verkauf zu beweisen, sondern weil sich aus dem 20€-Verkauf der Verdacht weiterer Verkäufe und damit des gewerbsmäßigen Handelns mit Btm ergibt.

Deshalb ist nicht nur die Verhältnismäßigkeit kein Problem, sondern das hat auch mit "Zufallsfunden" nichts zu tun (jedenfalls nicht, wenn man Btm findet, denn nach denen hat man ja gerade gesucht).

Wahrscheinlich veranlasst Sie das jetzt wieder zu wüsten Beleidigungen, aber so ist nun einmal die Rechtslage (und so ist es auch richtig).

Werner Siebers hat gesagt…

Auch wieder falsch. Voraussetzung für eine Durchsuchung sind hinreichende Anhaltspunkte für eine bereits begangene Straftat, vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen genügen gerade nicht (BVerfG 3. Kammer des Zweiten Senats, Beschluß vom 20. 4. 2004 - 2 BvR 2043/03 u.a.).

Wenn laut einer Zeugenaussage ausschließlich der Verdacht besteht, dass ein Geschäft für 20,00 € stattgefunden hat, ist alles weitere nichts weiter als vage Vermutung und Gestochere ins Blaue hinein.

 

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