15 September 2009

Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz : Kommentar zur VW-Affäre

Selenz` Kommentar 15. September 2009
www.hans-joachim-selenz.de

Von Platzhirschen und ihren Staatsanwaelten
* Braunschweiger (BS) Zeitung 04.09.2009
** STERN 44/2005
*** BS Zeitung 17.01.2008

Heute verhandelt der BGH in Leipzig die Urteile im Volkert/Gebauer-Prozess.

Ein Rueckblick:
Juni 2005. Anwalt Wolfgang Kubicki wird im Zuge der vermeintlich jungen VW-Affaere in Wolfsburg vorstellig. Er vertritt einen der Beschuldigten - Wolfgang Gebauer. Im Gespraech mit den VW-Managern glaubt er, seinen Ohren nicht zu trauen.

Man erklaert ihm in aller Seelenruhe: „Die hiesige Staatsanwaltschaft macht was wir wollen. Die haben wir im Griff. Wir sind hier Platzhirsch.“

In seinem ganzen Leben habe er noch nie ein solches Gespraech gefuehrt, so Kubicki.

Und bei den Staatsanwaelten muss er hoeren: „Wo sollen wir da ueberhaupt suchen? Der Konzern ist ja so gross wie eine Stadt“. Kubicki: „Da mussten wir dann mal selber Beweise sammeln“ (*).

Parallel zu Kubicki wurde auch ein alter Zeuge des VW-Skandals aktiv (**) - Polizeispitzel G06. Ihn hatte die Polizei Hannover als V-Mann in die Rotlichtszene eingeschleust. Allerdings schon im Jahre 2000. G06 hatte erstaunliche Beobachtungen gemacht und seine Auftraggeber detailliert informiert. Beispielsweise ueber
Sex- und Drogen-Exzesse bei VW. Auch der Name von VW-Gesamtbetriebsratschef und VW-Aufsichtsrat Klaus Volkert findet sich schon 2000 in den Polizeiakten. Bordellbetreiber G. organisierte die von VW bezahlten Sex-Treffen. 2001 informierte die Polizei VW. Aber auch dort blieb man untaetig.

Jeder Polizei-Novize weiss indes, dass man sich als Organ einer Aktiengesellschaft nicht in Bordellen amuesieren darf. Zumindest nicht auf Kosten der Firma.

Bei VW handelte es sich allerdings um eine Firma unter staatlicher Kontrolle. Da waere ein Sex-Skandal fatal fuer das Ansehen der Landesregierung als Gesellschafter gewesen.

In Hannover war bereits der Preussag-Skandal aktiv vertuscht worden. Die WestLB/Preussag-Gruppe hatte hochrangige Politiker beider grossen Parteien in unsaeglichste Abhaengigkeit gebracht. Man funktionierte dazu u. a. einen Jet zum Bordell um. Damit war die Justiz komplett abgeschaltet.

Die Folge:
Konkurs der Babcock Borsig AG, Tausende Arbeitslose, 5 Milliarden Euro Finanzschaden.

Auch den Fall VW liess man laufen. G. lieferte spaeter sogar die Damen fuer das VW-Konzern-Bordell in Braunschweig. Wirtschaftskriminalitaet quasi unter Justiz-Aufsicht.

Verstaendlich also, dass Spitzel G06 sauer war, als er in der Presse las, was sich bei VW abgespielt hatte. Das wussten er und die heimische Justiz schon seit Jahren.
G06 verlangte Nachschlag. Ein Polizei-Spitzel wird nach dem Wert seiner Information bezahlt. Fuehrt diese zu offiziellen Ermittlungen, erhoeht sich sein Salaer. Und G06 wollte wissen, warum die Justiz untaetig blieb.

„Reichte der Filz bis in Justizkreise“, fragte der STERN**. Fakt ist, dass es die VW-Affaere nach 2000 nie gegeben haette, wenn die Justiz auch nur ansatzweise korrekt gearbeitet haette. Ein „Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der
Urkundenunterdrueckung“ (Aktenzeichen 1141 UJS 63508/05) verlief im Sande. Der Vorgang landete schliesslich in Braunschweig - bei den Staatsanwaelten der Platzhirsche...

Am 16. Januar 2008 warf Kubicki diesen Staatsanwaelten dann in Braunschweig sogar oeffentlich Strafvereitlung im Amt vor. Niemand stoppte den kecken Anwalt. Die Anwaelte des Staates veraenderten lediglich ihre Gesichtsfarbe und schwiegen be- bzw. ge-treten. Auch ueber diesen einmaligen Eklat in einem deutschen Gerichtssaal
berichtete nur die Braunschweiger Zeitung***.

Deutsche Staatsanwaelte sind - wie in der Nazizeit - weisungsgebunden und werden von der Politik kontrolliert. Polit-Skandale, wie der bei VW, werden unter den immer
noch tiefbraunen Polit/Justiz-Teppich geschoben.

Der Deutsche Richterbund spricht explizit von „Regierungskriminalitaet“ (HAZ 11.08.2003) und fordert, die Weisungsgebundenheit deutscher Staatsanwaelte aufzuheben. Der Richter am Finanzgericht Niedersachsen, Norbert Schlepp, stellte zu diesem Krebsgeschwuer des deutschen Rechtssystems fest: „Diese Anordnungsbefugnis der Exekutive gegenueber den Staatsanwaelten hat in den Jahren ab 1933 dazu gefuehrt, dass Verbrechen der Nationalsozialisten nicht strafrechtlich geahndet wurden. Die weisungsgebundenen Staatsanwaelte durften derartige Verbrechen nicht anklagen. Das Rechtssystem, das damals die Staatsanwaelte an ihrer Arbeit gehindert hat, existiert als solches immer noch.“

In dieser braunen Sollbruchstelle des deutschen Rechtssystems haben Platzhirsche ihre Staatsanwaelte im Griff - zum Schaden der Allgemeinheit.

Peine, den 15. September 2009 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
Ein Meinungsbild eines Insiders.

Keine Kommentare:

 

kostenloser Counter

XING frisch gebloggt Newstin Piratenblogger Blog Top Liste - by TopBlogs.de