17 Juni 2012

Bevor Ihnen die Wahrheit im Munde herumgedreht wird, fragen Sie ...


... lieber Ihren Rechtsanwalt und Strafverteidiger.

Habe gerade einem Mandanten am Telefon vorgelesen, was er bei der Polizei gesagt, selbst gelesen, als richtig bestätigt und selbst unterschrieben haben soll.

Der Mandant ist vom Glauben abgefallen und hat mir nachvollziehbar erklärt, warum der Inhalt seiner Vernehmung so gar nicht von ihm stammen kann, dass er nie auf die Idee gekommen wäre, dass Polizeibeamte etwas anderes aufschreiben, als er gesagt hat, dass er deshalb auf das Durchlesen verzichtet hat und dass er kaum glauben kann, dass das kein Einzelfall ist.

Deshalb immer wieder für alle, die es hören oder nicht hören wollen: Aussagen als Beschuldigter und als Zeuge bei der Polizei sind tabu! Niemand muss und niemand sollte bei der Polizei aussagen! Der Zeuge muss erst vor dem Staatsanwalt aussagen. Dort ist dann die Verfälschungsgefahr nicht mehr über 50% wie bei der Polizei.



DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung

16 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Genau aus diesem Grund plädiere ich für digitale Überwachung der Polizei und bei Gerichtsverhandlung. Auch bei Letzterem kann das Rechtsbeugung durch Justizjuristen oder Meineid der Zeugen nachträglich nachweisen.
www.dirtycop.de

Bert Grönheim hat gesagt…

Wenn man die Abweichungen in der geschriebenen Version moniert, kommt gewöhnlich der Hinweis, daß die aufgeschriebene Version lediglich so verändert worden sei, daß sie dem Behördenstandard entspricht oder ähnlicher Käse. Ich habe daraufhin handschriftlich die Verweigerung meiner Unterschrift wegen nicht autorisierter Änderungen auf das Papier gebannt und nur meinen Vermerk unterschrieben. Die Minuten, bis ich aus dem Vernehmungszimmer raus war, waren die längsten meines Lebens und ich habe einige wirklich neue Drohungen, Beleidigungen und Verwünschungen gelernt.

Gast hat gesagt…

Gehört das zum Berufsbild des Strafverteidigers - ernsthaft zu glauben, dass auch der abgefeimteste Berufskriminelle eines nie, nie, nie tun würde, nämlich seinen Verteidiger anzulügen?

Oder ist das nur die Grundregel des Strafverteidiger-Marketings: nie, nie, nie zuzugeben, dass man seinen Mandanten grundsätzlich nicht über den Weg traut und in der Regel findet, dass ihnen recht geschehe?

Werner Siebers hat gesagt…

Meine Mandanten erfahren immer, dass es überhaupt nicht darauf ankommt, ob ich ihnen glaube, weil es ihnen nicht hilft, dass ich aber gern dazu versuche, beizutragen, dass ein Staatsanwalt oder ein Gericht ihm nicht widerlegen kann, dass die ihm günstigste denkbare Alternative stattgefunden haben könnte.

Fazit, etwas einfacher ausgedrückt: Für meinen Job spielt es keine Rolle, ob ich angelogen werde oder nicht!

Werner Siebers hat gesagt…

Aber dass viele Vernehmungsniederschriften nichts oder wenig mit dem zu tun haben, was wirklich gesagt wurde, das weiss ich!

Anonym hat gesagt…

Gehört es zum Berufsbild eines Bloglesers, sich immer das personalisierte Böse in Person vorzustellen, wenn es um eine Vernehmung geht ?

Eine Anzeige ist in 5 Minuten erstattet - die wieder loszuwerden, obwohl man NICHTS getan hat, dauert nicht selten Monate und verursacht eine Menge Kosten - und wenn dann auch noch ̶s̶̶a̶̶u̶̶d̶̶ä̶̶m̶̶l̶̶i̶̶c̶̶h̶̶e̶̶ ̶̶v̶̶o̶̶l̶̶l̶̶i̶̶d̶̶i̶̶o̶̶t̶̶e̶̶n̶ unsere hervorragend qualifizierte Beamtenschaft meint, Kreativität bei der Verschriftlichung einer Aussage beweisen zu müssen, ist das einfach nur noch jämmerlich.

Das Ganze durfte ich als Zeuge erleben - nicht ein Satz, den ich vorgetragen hatte wurde richtig übernommen.

Anonym hat gesagt…

Hallo,
danke fürs Schreiben. Jemand aus meinem Bekanntenkreis hatte mal Ärger mit der Polizei und ich wurde auf die Wache gebeten. Ich hatte nichts getan, nur am Rande etwas mitbekommen. Plötzlich war ich Beschuldigte. Einer der Polizisten erklärte mir, ich MÜSSE aussagen, der Andere blätterte in einem Gesetzeswälzer und erzählte mir etwas von einer Mindeststrafe von 5 Jahren. Ich wurde massiv unter Druck gesetzt und habe gar nicht mehr richtig mitbekommen, was ich da heulend unterschreibe. Es stellte sich heraus, es stand da alles Mögliche drin, dass ich nicht gesagt hatte. Ich war übrigens knapp über 20.
Es kam tatsächlich zu einem Prozess. Mein Anwalt hat mir dringend geraten vor Gericht nichts von meinem Termin zu erzählen, das würden Richter nicht gerne hören... Mein Anwalt sagte mir während des Prozeses, der Staatsanwalt wolle wohl auf jeden Fall eine Verurteilung, egal wegen was. Ich bekam tatsächlich mehrere Tagessätze wegen Begünstigung verpasst. Später sagte mir der Anwalt ich könnte zwar in Berufung gehen aber ob ich freigesprochen würde wäre fragwürdig, im Falle einer weiteren Verurteilung würde ich noch höhere Gerichts- und Anwaltskosten zahlen müssen... Also habe ich bezahlt. Aber Polizisten und Staatsanwälten kann ich nicht mehr trauen, sie sind eher angsteinflößend.

kj hat gesagt…

Ich musste auch mal als Zeuge wegen einer Sache meines Bekannten zur Polizei. Vorsichtshalber habe ich bei seinem Verteidiger per mail nachgefragt, ob es klug wäre hinzugehen und habe die Aussage schriftlich zur Überprüfung vorformuliert, nur zur Überprüfung ob die Angaben auch der Wahrheit entsprechen und ich meinen Bekannten nicht falsch belaste.
Keine Reaktion vom Anwalt.
Ich war der einzige Zeuge.

Die Vernehmung bei der Kriminalkommissarin war angenehm. Sie war nicht nur attraktiv, sondern gab auch nur das objektiv wieder, was ich schilderte.

Anonym hat gesagt…

Hi kj,seltsam ich glaube dir nicht.
Aber wenn du mir das Revier nennst oder ähnliches kann sich dein Blatt wenden! Hast du etwas zu verbergen? Du (Sie:-))kannst hier ruhig alles sagen bist ja Zeuge einer guten Sache.Also 1. Sie sind Zeuge 2.Bitte zeigen Sie ihren Ausweis 3.Bitte bringe Sie das Protokoll"Entbindung von der ärztlichen Schweigeplicht" unterschrieben mit.

kj hat gesagt…

@annonym
typisch, alles was nicht ins Weltbild der Juristen passt, wird nicht geglaubt.

Ich fand die Dame von der Polizei attraktiv und die Vernehmung angenehm. Ist natürlich subjektiv und ob ihren Rang weiss ich auch nicht mehr sicher, klang aber gut. Sie hielt den Angeklagten auch für unschuldig. Klingt noch unglaubhafter, ich weiss.

Jetzt kommt das märchenhafte, die Fee hat mich belehrt, ich müsse nichts sagen, was mich selbst belaste, was ich sage, könnte aber gegen mich verwendet werden.

Und ich sehe auch nicht aus wie George Clooney.

Sollte ich vielleicht doch einen Psychiater aufsuchen?

Werner Siebers hat gesagt…

@kf Schön zu hören, dass sich zwei getroffen haben, die beide keine Ahnung vom 55 StPO haben. Macht aber nichts, die wenigsten Richter und Staatsanwälte haben den verstanden, Polizeibeamten so oder so niemals.

kj hat gesagt…

@siebers
Meinen Sie, man muss nicht schuldig sein, um vom Recht auf Verweigerung einer Aussage Gebrauch zu machen?
Die Gefahr das einer aufgrund der Aussage Ermittlungen aufnimmt, reicht bereits?

Ich betrachte den Unterschied in der Praxis nicht so relevant, aber lasse mich da eines besseren belehren. In dem Fall gab es die Ermittlungen bereits gegen mich und ich war, wie mein Bekannter unschuldig. Denke das glaubt mir hier auch keiner, war aber so.
Gegen den Bekannten wurde das Verfahren dann eingestellt, meins dann wesentlich später.

Ich halte es für dilettantisch für einen Anwalt, wenn er schon die Gelegenheit hat, sich mit einem wichtigen Zeugen zu besprechen, es nicht zu tun. Er darf sicher nicht dem Zeuge einflüstern die Unwahrheit zu sagen, darf aber durchaus darauf hinweisen, das seine Darstellung von der des Mandanten abweicht und ihn zur Wahrheit ermahnen. Hätten Sie reagiert?

Werner Siebers hat gesagt…

@kj

Es kommt nur darauf an, ob die Gefahr der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens besteht (BVerfG NJW 2003, 3045), nicht darauf, in welcher Weise es voraussichtlich nach Durchführung von Ermittlungen abgeschlossen werden wird (BGH NJW 1999, 1413).

Bei der Prüfung, ob § 55 eingreift, muss die Möglichkeit einer Bejahung und Verneinung der an den Zeugen gerichteten Frage in gleicher Weise in Betracht gezogen werden.

Also: Z.B. die Frage, ob der Zeuge zum Tatzeitpunkt am Tatort des Tötungsdeliktes war, muss er nicht beantworten, egal, ob er da war oder nicht und egal, ob er selbst Täter war oder nicht.

Zeugen befrage ich nur in extremen Ausnahmefällen selbst, und das nur und ausschließlich im Beisein neutraler Personen, z.B. Referendar, Kollege pp.

Und dass ich dem Zeugen quasi die "Wahrheit" des eigenen Mandanten vorhalten würde, um ihn ggf. zur Änderung seiner Aussage zu bringen, würde ich im Vorfeld ganz sicher nicht tun! Halte ich für falsch und brandgefährlich.

kj hat gesagt…

Die Polizeibeamtin hat nur von Belastendes gesprochen, nicht von Tatsachen über strafbares Verhalten.

Das war insofern lobenswert korrekt von ihr, als es auf der Hand lag, das die Staatsanwaltschaft eigentlich mich und nicht meinen Bekannten im Visier hatte.

Vielleicht ist es doch richtig, wenn Anwälte keinen Kontakt zu Zeugen haben. Andererseits besteht natürlich die Gefahr das die Polizei den Zeugen was einflüstert, was die dann unbewusst als ihre Wahrheit vor Gericht verkaufen.
Verdammt schwer die dann davon abzubringen.

Anonym hat gesagt…

@ w. siebers:
Dass der Zeuge, der den 55 "zieht", aber andererseits ggf. auch nach 56 StPO glaubhaft machen und nicht nur behaupten muss, dass ihm oder Angehörigen überhaupt irgendwelche Ermittlungen drohen BGH 2 StE 7/01) , wissen dafür die wenigsten Verteidiger und Zeugenbeistände....

Werner Siebers hat gesagt…

@anonym - ich liebe diese anonymen Nebelwerfer mit aufschneidender Pseudoautorität. Ich halte mich da lieber, z.B., an den Karlsruher Nichtanonymen:

Macht der Zeuge eine Verfolgungsgefahr (§ 55) geltend, kann nicht verlangt werden, dass er Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine Offenbarung der betreffenden Straftat hinauslaufen oder ihn der Gefahr eigener Verfolgung aussetzen (BGH 3 StB 15/85); der Richter muss sich uU mit der eidlichen Versicherung des Zeugen begnügen, er nehme nach bestem Wissen an, dass er sich (den Angehörigen) der Verfolgungsgefahr (iS des § 55) aussetze (RGRspr. 2, 305, 306; RG JW 1928, 414; Ignor/Bertheau LR 26. Aufl. Rn 5; Neubeck KMR Rn 4)

 

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