27 Juni 2012

Folgen taktischer Geständnisse

Manchmal unterbreiten Staatsanwälte oder Richter "Sonderangebote" für den Fall eines Geständnisses, die von Angeklagten dann angenommen werden, weil sie z.B. unter Bewährung stehen und nun plötzlich in einem neuen Verfahren eine Geldstrafe "offeriert" wird. Das, obwohl an dem neuen Vorwurf gar nichts dran ist.

Ich hatte jetzt mit einem Fall zu tun, in dem jemand in erster Instanz seine Unschuld beteuert hatte, wobei 4 Zeugen ihn auch entlastet haben, während zwei andere Zeugen ihn der Täterschaft bezichtigt haben. Diesen beiden wurde geglaubt, der Arme wurde zu neun Monaten ohne Bewährung verurteilt, der Widerruf einer anderen Bewährung drohte.

In der Berufungsinstanz wurde ihm dann für ein "Geständnis", also für das, was man hören wollte, eine Geldstrafe angeboten. Das Angebot nahm er an, seine laufende Bewährung war damit gesichert, alles "klar".

Bis auf die Kleinigkeit, dass man nun gegen seine vier Entlastungszeugen aus erster Instanz Anklage erhoben hat wegen des Vorwurfes der uneidlichen Falschaussage und der Sonderangebotsannehmer nun plötzlich als Zeuge in dem Verfahren gegen seine vier "Entlaster" aussagen musste.

Davon abgesehen, dass ich meine, dass hier in Anwendung der Mosaiktheorie des BGH ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO bestanden hätte, musste er nun durch die Hölle und berichten, dass er die Ausgangstat entgegen seinem eigenen "taktischen Geständnis" in zweiter Instanz doch nicht begangen hat und das Geständnis nur wegen des "Sonderangebotes" abgelegt hatte.

Entgegen allen Erwartungen wurde ihm das so abgenommen und seine vier "Entlastet" wurden auf Antrag der Staatsanwaltschaft von dem Vorwurf der Falschaussage freigesprochen.

Hut ab vor der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft und der Jugendrichterin, die beide offensichtlich das richtige Gespür hatten und sich nicht davon leiten ließen, dass die anderen damit befassten Staatsanwälte und Richter zwingend alles richtig gesehen haben.

Nun denkt der ursprüngliche Angeklagte natürlich darüber nach, in seinem Verfahren die Wiederaufnahme zu betreiben. Nach dem Motto: Alles nochmal!

Hätte man in dem Ursprungsverfahren ein wenig mehr den Grundsatz "in dubios pro reo" beachtet, wäre es niemals zu diesem Riesentheater gekommen.



DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung

3 Kommentare:

raleisner hat gesagt…

"Unendliche Falschaussage" ist ein sehr schöner Schreibfehler, danke!

Werner Siebers hat gesagt…

Stimmt, ich vermute, es war die dämliche Autokorrektur. Obwohl es ein sehr schöner Schreibfehler war, habe ich es -dank des Hinweises- nun korrigiert.

Anonym hat gesagt…

Der Fall, der so ein bissl humorig daherkommt, hat für den Betroffenen schon bittere Seiten - vor allem dahingehend, wohl noch immer keine Ruhe zu haben, indem alles nochmal ausgerollt werden wird.
(Wobei ich ihm eine gewisse Genugtuung gönne).

Ich habe gerade Ihren Blog entdeckt und mit Interesse gelesen.

Bin selbst vor 14 Tagen nach 10 Monaten aus der Haft entlassen worden.
Die Verurteilung erfolgte nach einem wie von Ihnen beschriebenen Geständnis - weil ich einfach nervlich nicht länger durchhalten konnte.
Das Geständnis war meinerseits ein Gestammel, in der Hoffnung, dass der Richter dabei einen Punkt "verwurschten" kann, der ihm Anhalt bzw. Handhabe zu einer Verurteilung gibt.

Bitter. Ich habe es noch immer nicht verdaut, auch wenn ich nach vorne schauen sollte.
(Schließlich habe ich es ja letztlich so gemacht, um das Risiko zu minimieren, dass er mich auch ohne Handhabe zu einer höheren Strafe verurteilen wird.)

Ich lese jetzt gerne weiter in Ihrem Blog!

Schöne Grüße aus Bayern
von einer "Kriminellen" qua Phantasiegeständnis

 

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