Antwort: Klar!
Frage: Muss das hingenommen werden?
Antwort: Ich meine nicht.
Worum geht es. § 306 II StPO sagt ganz einfach, klar und deutlich:
Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.Man wird sich nicht darüber streiten können, dass das Wort "ist" die Vermutung zulässt, dass damit eine "Muss-Vorschrift" und keine "Soll-Vorschrift" vorliegt. Auch kann man eigentlich nicht darüber streiten, dass die Auslegung "contra legem" von Verfahrensvorschriften, insbesondere der StPO, unzulässig ist.
Und, was machen die Kommentatoren aus diesem klaren Text?: Bei der in § 306 Abs 2 Hs 2 StPO geregelten Dreitagesfrist, die mit dem Eingang bei Gericht beginnt, handelt es sich um eine Sollvorschrift, zwingend ist sie nicht.
Und, was machen insbesondere die Gerichte und Staatsanwaltschaften aus diesem klaren Text?: Die harmloseren kennen ihn nicht, die anderen ignorieren ihn! Es gibt z.B. kaum eine Haftbeschwerde, die innerhalb von drei Tagen, wie es das Gesetz seit 1877 eindeutig vorschreibt, innerhalb von drei Tagen dem Beschwerdegericht vorliegt.
Und was tun wir Verteidiger gegen diese Unverschämtheiten? Zu wenig!
Schon 2010 hat der Nicht-nur-RVG-Papst Detlef Burhoff auf diese Problematik hingewiesen, u.a. unter Verweis auf die klaren Worte des OLG Naumburg in der Entscheidung OLG Naumburg vom 21.07.2010 – 1 Ws 398/10 und dabei zu Recht eingefordert:
Verteidiger sollten die Einhaltung dieser Frist anmahnen und Verletzungen als rechtswidrig beanstanden.
Das sehe ich auch so, und zwar sollte das nicht hin und wieder sondern immer wieder gerügt werden, damit dieser Unsitte endlich Einhalt geboten wird.
DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
9 Kommentare:
"Hat vorzulegen" beschreibt eine Handlung und keinen Erfolg. Dass die Beschwerde dem Beschwerdegericht spätestens nach 3 Tagen vorliegen muss (= Eingang als "Erfolg"), steht im Gesetz entgegen Ihrer Auffassung nicht.
Abgesehen davon wollen Sie doch auch, dass das Ausgangsgericht vielleicht selbst Ihre lichtvollen Ausführungen sorgfältig prüft und ggf. selbst abhilft.
Genau, die Handlung ist "das Vorlegen". Und "Vorlegen" heißt nicht, mit den Akten loszugehen, sondern mit den Akten anzukommen.
Das Oberlandesgericht Naumburg gehört aus Gründen der Ethik aufgelöst und nicht zitiert.
Der erste Strafsenat hat es immerhin fertig gebracht, die Rechtsbeugung eines Senats dieses "Gerichts" unbestraft zu lassen.
@Matthias
1. Mir ist nicht bekannt, ob bei beiden Entscheidungen eines oder mehrere der Senatsmitglieder identisch waren.
2. Warum soll eine gute Entscheidung nur deshalb schlecht sein, weil dasselbe Gericht in anderer Sache vor längerer Zeit eine falsche Entscheidung getroffen hat?
@ Werner Siebers
Auf 1. kommt es nicht an, den jeder der sich in den ersten Senat ernennen oder wählen lässt, macht sich die Entscheidungen zu eigen.
Also nur eine Antwort zu 2.)
Weil es mit der Würde des Rechtsstaats unvereinbar ist, dass ein Senat, der Rechtsbeugung toleriert, gerechte Urteile sprechen kann.
Das Oberlandesgericht Naumburg hat mit dieser damaligen Entscheidung nicht nur seine Würde sondern auch seine Legitimität verloren, an der Fortbildung des Rechts mitzuwirken.
@Matthias:
zu 1. ja, das überzeugt vollends, das glaube ich jetzt auch
zu 2. jaahhh, weil da mal in anderer Besetzung eine (grotten)falsche Entscheidung war, sind jetzt alle Entscheidungen falsch, also auch die richtigen, so dass die die neuen falschen jetzt natürlich richtig werden.
Schau, schau, ICH habe es jetzt verstanden.
Das ist etwas für die Lady, wie hieß sie noch, ach ja: GaGa!
Jetzt hab ich auch verstanden, warum es für fast alle Juristen nach einem Systemwechsel eine Anschlussverwendung gibt.
@Matthias: Für Sie müsste bei Ihrer zwanghaften Pauschalverurteilung generell jedes Oberlandes- Amts- und Landgericht verbrecherisch sein, weil es von 1933-1945 dort Nazi-Richter gab und Unrechtsurteile gefällt wurden. Einmal Verbrecherkammer/Senat/Einzelrichter, immer.....
Innerhalb der 3 Tagesfrist können eh nur ganz offensichtliche Unrichtigkeiten korrigiert werden, also könnte das erstinstanzliche Gericht aufgrund der 3 Tagesfrist alles vorlegen, was nur ein Hauch schwierig ist, ohne eine eigene Entscheidung treffen zu müssen. Denke das den Obergerichten dies nicht schmeckte und daher die Auslegung contra legem.
Hierfür spricht nur das der Gesetzgeber offenbar eine solche Arbeitsverlagerung mit der Frist nicht gewollt hat, sondern lediglich eine Beschleunigung.
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