Es gibt strafprozessuale Rechte, deren Ausnutzung sich nicht sofort und zwingend erschließt; dazu gehört sicher u.a. die Rüge der gesetzwidirigen Besetzung eines Gerichtes.
Zunächst sei der Hinweis erlaubt, dass seriöse Strafverteidigung bedeutet, immer zunächst alle prozessualen Rechte des jeweiligen Mandanten kurz zu überdenken, die in Frage kommen. Es wäre sicher ein anwaltlicher Kunstfehler, bestimmte prozessuale Rechte, aus welchem Grunde auch immer, für sich selbst auszuschließen, z.B. das Befangenheitsgesuch gegen seinen "Lieblingsrichter" oder die Besetzungsrüge.
Beim Landgericht macht die Besetzungsrüge, wenn man Mängel der Besetzung erkennt oder für nicht unwahrscheinlich hält, schon deshalb Sinn, weil, wenn sie denn dann abgelehnt wird, genau diese Rüge möglicherweise später der einzige Schlüssel für eine erfolgreiche Revision sein könnte. Insbesondere bei Präsidiumsbeschlüssen wegen angeblicher Überlastung oder Bildung von Hilfsstrafkammern lauern oft kleine aber feine Fettnäpfchen, die von den Strafkammern dann in ungeahnter Überschätzung der prozessualen Kompetenz des eigenen Präsidiums gerne lapidar abgebügelt werden.
Aber auch beim Amtsgericht, insbesondere beim Schöffengericht, lohnt der Blick auf die Besetzung bevor es losgeht, jedenfalls dann, wenn der Mandant noch Zeit braucht, z.B., weil die Sache vor der Verjährung steht, weil bei Aufhebung der Haftbefehl nicht mehr haltbar ist, weil ein Täter-Opfer-Ausgleich noch zu erbringen ist, weil eine Therapie oder eine ähnliche Maßnahme noch durchgeführt werden muss oder weil schlicht weitere Zeit, die ins Land geht, eine Strafmilderung erwarten lässt.
Wenn z.B. an einem "nicht ordentlichen" Sitzungstag terminiert wird und dieser Termin aufgehoben werden muss, müssen neue Hilfsschöffen bestellt werden, ein gern übersehenes Details, das von Amtsrichtern oft nicht erkannt wird, u.a., weil einige von ihnen von diesen Vorgängen überhaupt keinen blassen Schimmer haben und sie sich blind auf ihre Geschäftsstellen verlassen.
Es soll damit nicht gesagt werden, dass nun in blindem Aktionismus in jeder Strafsache zunächst die Besetzung des Gerichts gerügt werden soll, aber ein Blick auf die Besetzung und bei möglichen Fehlern der Gedanke, ob das dem Mandanten nützen könnte, ist aus der Sicht seriöser und professioneller Verteidigung grundsätzlich zwingend.
Natürlich gibt es auch Konstellationen, in denen Eilbedürftigkeit gegeben ist (Fahrerlaubnissachen, Haftsachen etc.), bei denen dann auch eine offenbare Fehlbesetzung ungerügt bleiben sollte, um das erhoffte schnelle -hoffentlich gute- Ende eines Verfahrens nicht zu gefährden.
DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
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