04 November 2009

Zynismus pur - Amtsgericht Halle an der Saale und die Wochenfrist

Im Amtsgericht in Halle an der Saale macht man es wie in fast allen deutschen Gerichten. Man stellt dem Angeschuldigten im Fall einer notwendigen Verteidigung die Anklage zu und gibt ihm eine Frist von einer Woche, innerhalb der er dem Gericht mitzuteilen hat, ob er einen Verteidiger benennt, danach wird ihm ein Verteidiger vom Gericht beigeordnet (oft so ein rundgelutschter Schweiger, der Darmtaucherfahrung hat).

Dass der Angeschuldigte ggf. bei dem Verteidiger, den er sich wünscht, zunächst einen Termin vereinbaren muss, um den zu fragen, ob der kann und will, dass dann noch das Gericht informiert werden muss und dass dafür eine Woche eigentlich nichts weiter ist, als eine bodenlose Frechheit, drängt sich auf.

Beim Amtsgericht in Halle an der Saale knallt man dem Angeschuldigten dann auch prompt am Tage des Ablaufes der angeblich gesetzten Wochenfrist einen Zwangspflichtverteidiger vor den Latz.

Meine Beschwerde dagegen befasst sich mit dem Wochenproblem im Allgmeinen, aber auch mit dem besonderen Fall, dass der Mandant inhaftiert ist und schon deshalb die Postlaufzeiten etwas länger sind und der Mandant nicht einfach einen Termin bei dem Wunschverteidiger machen kann, sondern dieser zunächst in die JVA kommen muss. Dass in diesem speziellen Fall die Wochenfrist gar nicht ausreichen kann, versteht jeder - außer man ist Richter in Halle.

Der Beschwerde wurde nicht abgeholfen, weil "innerhalb der gesetzten Frist von einer Woche keine Reaktion erfolgte"!

Kein Wort zur Inhaftierung, kein Wort zur gedanklichen Auseinandersetzung mit der Zeitverzögerung wegen dieser besonderen Umstände. Schrieb ich gerade gedankliche Auseinandersetzung? Entschuldigung, verschrieben. Sollte heißen: Nicht nachgedacht, mit dem Gesäß draufgesetzt!

Ich traue mich schon nicht mehr, es zu schreiben: Es war schon wieder eine Richterin.

Ich bin für Emanzipation und Gleichberechtigung, bitte ab sofort wieder mal ein paar Männer zum Richter machen, BITTE!!!

DEIN RECHT IST MEIN JOB


STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung








7 Kommentare:

Kand.in.Sky hat gesagt…

Hängt mit den Eigenarten in Halle zusammen, dort haben die Leute generell mehr Zeit und die Richter sind entsprechend überlastet mit Arbeit.


#k.

Unknown hat gesagt…

Gehörsrüge? Verfassungsbeschwerde?

Anonym hat gesagt…

Nein, solange es soviel Richter in Ihrem Alter gibt, werden Frauen bei gleicher Eignung bevorzug eingestellt. Und Männer weiterhin den Verlockungen der Kanzleien und Unternehmen erliegen, die bei mittlerweile fast gleichen Arbeitsbelastungen (wenn sich mal die RichterInnen anhört) liegen.

Sabine hat gesagt…

Auf welcher gesetzlichen Grundlage basiert die Wochenfrist? Worauf basieren Sie Ihre Beschwerde bzw. stützt die RichterIN ihre Argumentation?

Werner Siebers hat gesagt…

142 I StPO, wobei die Frist natürlich angemessen sein muss, was hier eindeutig nicht der Fall ist.

Die Richterin beruft sich auf gar nichts, außer,dass die Frist abgelaufen ist.

Werner Siebers hat gesagt…

Die Beschwerdebegründung könnte so lauten:

Zwar hat das Gericht entsprechend der Vorschrift des § 142 Abs. 1 S. 2 StPO dem Angeschuldigten Gelegenheit zur Benennung eines Verteidigers seines Vertrauens gegeben. Indessen ist die angeblich mit einer Woche bestimmte Frist zur Gegenäußerung zu kurz bemessen.

Die Regelung des § 142 Abs. 1 S. 2 StPO stellt eine gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör dar. Um eine sachgerechte Ausübung dieses Rechts auch tatsächlich zu gewährleisten, muss eine pflichtgemäße und ermessensfehlerfreie Festlegung des Äußerungszeitraums so beschaffen sein, dass einem Betroffenen eine ausreichende Überlegungsfrist zur Verfügung steht und er seine Entscheidung noch innerhalb der bestimmten Frist dem Gericht mitteilen kann.

Dementsprechend darf eine Frist nicht zu kurz bemessen sein. Soweit lediglich ein Zeitraum von einer Woche ohne besonderen Grund und ohne ersichtliche Eilbedürftigkeit bei einem inhaftierten Angeschuldigten gewährt wird, kann von einer angemessenen Frist keine Rede mehr sein, da innerhalb dieser Zeitspanne praktisch keine fristgerechte Rückäußerung möglich ist, zumal es dem Angeschuldigten zugebilligt werden muss, mit dem Verteidiger, den er benennen will, Kontakt aufzunehmen, um in Erfahrung zu bringen, ob dieser bereit und in der Lage ist, das Mandat zu übernehmen. Für den Fall nämlich, dass das nicht der Fall ist, müsste er sich noch um eine Alternative kümmern, das Gericht kann und darf nicht davon ausgehen, dass jeder Verteidiger quasi auf Zuruf ohne persönlichen Kontakt grundsätzlich der Übernahme einer solchen Pflichtverteidigung zustimmt.

Der Anspruch des Angeschuldigten auf rechtliches Gehör wird unzumutbar und gesetzwidrig beschnitten. Eine solche Handhabung des § 142 Abs. 1 S. 2 StPO reduziert zumindest den Sinngehalt der Vorschrift und macht die Ermes-sensausübung fehlerhaft mit der Folge, dass eine angemessene Frist für den Angeschuldigten zu laufen beginnt.

Selbst soweit im Einzelfall – der hier unzweifelhaft nicht vorliegt - eine besondere Eile geboten ist, darf das Gericht nicht die Frist unangemessen verkürzen, denn dies würde den Normzweck zur reinen Förmelei degradieren. Vielmehr ist es dann angezeigt, die gebotene Anhörung notfalls fernmündlich durchzuführen.

Im vorliegenden Fall bestand auch keinerlei besondere Eilbedürftigkeit für die Beiordnung eines bestimmten Pflichtverteidigers. Der Angeschuldigte befand sich in Strafhaft, so dass keine Eile geboten war. Auch ansonsten ist dem Gang des Ermittlungsverfahrens nicht zu entnehmen, dass irgendein konkreter Anlass gegeben war, der ausnahmsweise eine knapp bemessene Äußerungsfrist unter tatsächlicher Gewährleistung ausreichenden rechtlichen Gehörs rechtfertigen konnte.

In diesem besondere Fall kommt hinzu, dass der Angeschuldigte aufgrund seiner Verlegung aus der JVA XXX in die JVA YYY gehindert war, frühzeitig Kontakt mit dem Verteidiger seiner Wahl und dem Gericht aufzunehmen, was nichts daran ändert, dass bei einem inhaftierten Betroffenen per se die Frist von einer Woche aus den genannten Gründen zu kurz bemessen ist.

Anonym hat gesagt…

herr siebers, sie sollten gleichstellungsbeauftrager werden. ;-)

.~.

 

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