04 April 2012

Frechheit siegt nicht mehr

2006 hat er noch Schlagzeilen gemacht und war aus dem Knast "entwichen", Minuten, nachdem er eingeliefert wurde. Eine schöne Geschichte!

Jetzt allerdings, mit 63, geht er schnurstracks in die Riege der Knast-Methusalems ein, denn bei 3 Jahren und 9 Monaten ist mit vorzeitiger Entlassung wohl nicht zu rechnen, und ein Therapiebeginn mit 65 klingt auch recht spät.

Leicht gebückt sitzt der kräftige Mann auf der Anklagebank. 63 Jahre ist er inzwischen alt. Bärtig, wortkarg. Geständig ohne Drumherum, ohne Schönfärberei.
Betrug mit Kapitalanlagen, Mietbetrug bei Wohnungen und Autos, unbezahlte Einkäufe unter vermeintlichen Firmennamen - alles hat der gebürtige Wattenscheider schon hinter sich. "Einen Betrüger, wie er im Buche steht" hat ihn ein Staatsanwalt einmal genannt. Seit 1968 reiht sich Strafe an Strafe, später dann Haft an Haft.2010 kaum entlassen, wird er sogleich rückfällig, ergaunert Waren wie Dienstleistungen für rund 20000 Euro. Und wieder führt sein Weg zurück in die Justizvollzugsanstalt - nach dem Urteil des Schöffengerichts diesmal für drei Jahre und neun Monate.Ein Unverbesserlicher? "Er ist mit offenen Augen ins offene Messer gelaufen", meint sein Verteidiger Werner Siebers im Prozess im Braunschweiger Amtsgericht. In zehn Anklagen ballen sich seine betrügerischen Lebensstrategien, mit denen sich der 63-Jährige über Wasser hielt, seit er vor zwei Jahren vorzeitig und laut Siebers unvorbereitet vor die Knasttür gesetzt wurde.In Haft auf Drogen-Ersatzstoffe umgestellt, locken nach der Entlassung wieder die Freiheit und das Kokain. Auch dazu braucht er offenbar das Geld. "Ich habe versucht, wieder Fuß zu fassen, und habe es einfach nicht hingekriegt." Das ist einer der wenigen Sätze, die der 63-Jährige vor Gericht sagt. Sein Anwalt erklärt die Taten mit einem "gewissen Maß an Realitätsverlust".Immer wieder geht es um Betrug - in Braunschweig, Magdeburg, Peine, Goslar und Königslutter. In großen Elektro-Märkten legt der Arbeitslose Einkaufsermächtigungen vermeintlicher Firmen vor. Gezahlt werde nachträglich auf Rechnung, so seine Masche. Auf diese Weise erbeutet er Fernsehgeräte, Notebooks, Handys oder Staubsauger für viele Tausende Euro. In einem Großhandel versorgt er sich mit Kleidung, Fahrrad, Laserdrucker und Lebensmitteln: Bei acht Einkäufen innerhalb von Tagen ordert er Waren für rund 1500 Euro. Er nutzt das Lastschriftverfahren. Gedeckt ist das Konto nicht.An einer Tankstelle füllt er dank einer bargellosen Kundenkarte einen Monat lang für viele Hundert Euro seinen Tank und seinen Magen - bis am Monatsende die Rechnung kommt, die er nicht begleichen kann.In Braunschweig logiert er in Gästehäusern, ohne ans Bezahlen zu denken. Als er vor der von ihm gebuchten Zeit verschwindet, bleiben Rechnungen über rund 1500 Euro offen. Zuletzt lässt er von einer Firma für 9700 Euro Computer liefern und installieren.Die Staatsanwaltschaft geht von gewerbsmäßigem Betrug aus. Gewerbsmäßig, weil sich der 63-Jährige dadurch eine dauerhafte Einnahmequelle verschafft habe.So bieder seine Erscheinung im Gerichtssaal, so eloquent muss er in anderen Rollen auftreten. Dafür spricht eine filmreife Szene, in der er 2006 - während der Fußballweltmeisterschaft - in der Justizvollzugsanstalt am Rennelberg die Hauptrolle spielte:Gerade hat ihn ein Kripobeamter in der U-Haft abgeliefert, als ein Justizbediensteter den geschniegelten Mann im feinen Zwirn an der Gefängnisschleuse mit einem Anwalt verwechselt. "Rein oder raus?", fragt er ihn. "Raus", nutzt der damals 57-Jährige die unverhoffte Chance. Und macht sich auf den Weg, um bei einem Freund das Achtelfinalspiel Deutschland gegen Schweden zu sehen. Allerdings nicht, ohne zuvor seinen Ermittler bei der Kripo beruhigt zu haben: Er werde freiwillig ins Gefängnis zurückkehren - nach dem Fußballspiel.
Quelle: Braunschweiger Zeitung: 4. April 2012, Braunschweig Lokal, Seite 15




DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung

1 Kommentar:

l hat gesagt…

Scheiss Drogen, vielleicht sollte man ernstlich darüber nachdenken auch den Konsum unter Strafe zu stellen.
Ohne Drogen wäre der Mann vermutlich nie im Knast gelandet.

 

kostenloser Counter

XING frisch gebloggt Newstin Piratenblogger Blog Top Liste - by TopBlogs.de