27 März 2010

Kaffee-Fahrt mit Dr. Schmidt und Partner

Mich hatte er auch eingeladen, der Dr. Schmidt. Ich sollte mir meinen Gewinn abholen, ich glaube, fast 1.000,00 €, wollte ich auch, habe mich schon auf die schöne Fahrt gefreut, konnte dann aber leider doch nicht. Schade. Habe offenbar was verpasst. Sogar die Braunschweiger Zeitung berichtet darüber:

"Vorsicht, Verkaufsfahrt!", hatte unsere Zeitung gemeinsam mit der Polizei vor falschen Gewinnbenachrichtigungen der Firma "Dr. Schmidt & Partner"gewarnt. Wer verbirgt sich hinter der seriösen Finanzdienstleister-Fassade? Ein Protokoll.

7 Uhr, der Wecker klingelt : sehr zeitig für einen kinderlosen Zeitungsjournalisten. Vermutlich rührt der Begriff Kaffeefahrt vom frühen Beginn.

8.25 Uhr, Abfahrt: Ich treffe SZ-Leser Norbert Freißler in Gebhardshagen. Unser Transportmittel, ein blauer Reisebus steht bereit. Von Dr. Schmidt – oder seinem Partner – ist nichts zu sehen. Mit 16 anderen wagemutigen, vornehmlich älteren, Mitfahrern beginnt die Fahrt. Zielort: unbekannt. "Wir werden etwa um 10 Uhr ankommen. Wenn Sie die Veranstaltung verlassen, erstatten wir keine Reisekosten. Ob Sie mitfahren, ist Ihre Entscheidung", sagt der Fahrer durch. Kein Widerspruch, der Bus fährt ja auch schon. Die weißhaarige Dame auf der Sitzbank gegenüber wirkt konsterniert. Seit 6.20 Uhr ist sie unterwegs, in Schöppenstedt zugestiegen.

10.30 Uhr, Ankunft: im Landgasthaus Zu den drei Linden in Sabbenhausen, Nordrhein-Westfalen, hinter Bad Pyrmont. Flucht unmöglich. Dankbar steigen wir aus dem 25 Grad heißen Bus. Im Nebenzimmer wartet das angekündigte "reichhaltige Frühstück", ein Brötchen, je eine Scheibe Wurst und Käse sowie ein hartgekochtes Ei. Auf neun Leute kommt eine Kanne Kaffee, die Fahrt hat ihren Namen nicht verdient. Von Enttäuschung keine Spur. Eine Umfrage am Frühstückstisch ergibt: Mehr erwartet hat keiner, die angekündigte Auszahlung des Gewinns von 946,72 Euro schon gar nicht.

10.50 Uhr, Begrüßung: Moderatorin Angelika, Haare schwarz gefärbt, etwas zuviel Lidschatten, heißt uns willkommen: "Na hattet ihr’s weit? Wo kommt ihr denn her? Tut uns leid, ihr solltet eigentlich nach Celle, aber da gab es einen Krankheitsfall."

11 Uhr, Auftritt Sven: Ende dreißig, groß, blond, leicht gebräunt, offenes Hemd, offenes Wesen. Sven, ein Schwiegermuttertyp. Er geht gleich in die Vollen: "Wer glaubt, dass der heutige Tag wird, wie es auf der Einladung steht?" Keine Meldungen, Sven strahlt: "Ihr habt Recht, er wird noch viel besser!" Verhaltener Applaus. Noch besser? Laut Gewinnbenachrichtigung winken nicht nur Geld und kostenfreies Frühstück, sondern ein "interessantes Rahmenprogramm mit tollen Überraschungen", ein nagelneuer Express-Kaffee-Automat ("Zusatzprämie"), ein Navigationsgerät (kostenlose Prämie). Für Sven kein Problem: "Wer will einen Teddy?". 16 Hände schnellen nach oben. Als weitere Geschenke hat Sven ein Messerset und einen Turbo-Heißluftgrill, der gleichzeitig backen, grillen und spülen kann, in petto. "Gezieltes verschenken", erklärt Sven. "Unsere Sponsoren wollen, dass ihr für sie Werbung macht, und das geht am besten, wenn ihr so eine Maschine zuhause habt und sie eure Freunde sehen."

11.30 Uhr, es wird gemütlich: soweit auf durchgesessenen Stühlen möglich. Männer stülpen das erste Pils, aus der Anlage dudelt Schlagermusik, und Sven verschenkt schnell noch eine Kaffeemaschine.

11.40 Uhr, Auftritt Franz-Josef: Der Vertriebsleiter eines "weltweit operierenden Pharma-Konzerns mit Sitz in Bern" wirkt eher wie ein Pokerspieler; schwarzes Hemd, schwarze Hose, ölige Locken, dünnes Oberlippenbärtchen. "Haben Sie gesundheitliche Probleme?", fragt er in die Runde. "Mein Doktor sagt, mir fehlen Hopfen und Malz", schallt es zurück. Alles lacht. Die nächsten zweieinhalb Stunden preist Franz-Josef eine Trinkkur zum Gelenkaufbau und das Präparat Q10 Aktiv als Wundermittel gegen Herzklopfen, Lebervergrößerung, Diabetes, Schnarchen und Transpiration an. Kostenpunkt: 798 Euro. Auf der Internetseite des Herstellers wird es als Nährstoffkombination zum Aufbau bei Stress, Belastung und Erschöpfungszuständen geführt. Interesse der Senioren: null. Nur Norbert Freißler, Sozialpädagoge beim Jugendamt, kann sich begeistern: "Maximaler Effekt mit minimalen Fakten, das nenne ich Gesprächsführung. Den würde ich gerne mal für eine Schulung einladen."

14.30 Uhr, Mittagessen: Franz-Josefs Verkaufspropaganda hat gezehrt und die letzte Mahlzeit liegt viereinhalb Stunden zurück – zum Glück sind keine Diabetiker dabei –, entsprechend lecker schmeckt das Schnitzel (7,90 Euro).

15 Uhr, endlich was Vernünftiges: Pfannen. Ich gewinne eine Wette gegen Norbert Freißler, der auf Induktionsherdplatten als nächstes Produkt gesetzt hat. Die "Gar-Pfanne de Luxe" gibt es bei Sven für 50 statt 248 Euro, "denn der Hersteller zahlt euch 200 Euro, damit ihr Werbung macht". Aufkeimendes Interesse. Damit er die dritte Pfanne los wird, legt Sven 20 Geschenke (Mini-Teddybären) drauf. Gute Geschäfte macht er mit Aloe-Vera-Wollreiniger: "Ich sage euch nicht, was der alles kann, denn der kann alles."

16 Uhr: Franz-Josef gibt alles: Der ehemalige Pharma-Vertriebsleiter traktiert das Auditorium mit einer Tombola, bei der man gewinnen kann: den Kauf von Reisen für 400 Euro. Franz-Josef triumphiert: Drei Paare gewinnen und zahlen.

18 Uhr, Ende Verkaufsmarathon: Von Dr. Schmidt ist nichts zu sehen, vom Geld auch nicht. Grill und Messerset bleiben ebenfalls unberührt an ihrem Platz "Und, von welcher Zeitung sind Sie?", fragt Sven. Er hat gesehen, dass ich mir Notizen mache. Der Tag heute habe das Trio finanziell ganz schön reingeritten, erzählt er leutselig. Warum das Theater mit den falschen Gewinnnachrichten? "Sonst kommt keiner", gibt er unumwunden zu. "Wir haben das ausprobiert. Wenn wir schreiben, Kaffeefahrt mit Verkaufsveranstaltung, sitzen nur fünf Leute im Bus." Der Fahrer hupt, wir müssen los.

20.15 Uhr, geschafft: Müde aber erleichtert steigen wir in Gebhardshagen aus unserer fahrenden Sauna. "Seit 40 Jahren mache ich solche Fahrten, aber das war die letzte", sagt eine Teilnehmerin. Noch zwei Stunden Fahrt für die Dame aus Schöppenstedt.
Quelle: newsclick

Komisch, irgendwie fehlt in dem Bericht, wann Dr. Schmidt denn nun den Teilnehmern gegenüber sein Gewinnversprechen eingelöst hat. Wirklich komisch.

Und jetzt auch noch die Mandantin, die meint, jetzt müsse doch die Staatsanwaltschaft, wenn man das liest, von Amts wegen ein Verfahren wegen des Verdachtes des Betruges einleiten.

Ist das Betrug, was da abläuft bei Dr. Schmidt? Ich weiß gar nicht. Vielleicht hätte ich ja mein Geld bekommen. Ich bin ja doof.


DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung



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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Kann diese Leute überhaupt strafrechtlich verfolgen? Ich bin auf diesen Blogpost hier gestoßen, weil ich selber so einen Brief erhalten hatte.

 

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