22 März 2010

Wohlwissende Unwertschätzung

Die Strafverteidigerin Kerstin Rueber berichtet hier über einen Referendar, der als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft den Richter und die Protokollführerin mit Handschlag begrüßt, aber nicht die Verteidigerin.

Ok, soll er seine Bakterien denen übertragen, die längere Krankheitsphasen leichter kompensieren können als ein Freiberufler, aber -Welpenschutz hin oder her- ein gerüttelt Maß an Unhöflichkeit kann man dem Menschen nicht absprechen.

Vor einiger Zeit geschah es mir, dass ein Vorsitzender einer Strafkammer den Anwesenden (auch mit Schulklasse) ausführlich mitteilte, wer seine Schöffen sind, wer die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft ist und wer das Protokoll führt.Danach wollte er zur Tagesordnung übergehen.

Ich bat ihn dann kurz ums Wort und teilte mit, dass neben mir der Angeklagte sitzt und dass ich der Verteidiger bin - nur so der Vollständigkeit halber.

Mindestens 85% seines Blutes befanden sich daraufhin in Sekundenschnelle ausschließlich in seinem Kopf, anders war die Verfärbung der Gesichtshaut nicht erklärbar.


DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung


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8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wobei das Blut ja dann im wichtigsten Körperteil für den weiteren Verlauf der Verhandlung richtig angebracht war.

RA Neldner hat gesagt…

Wurde die Anwesenheit von Angeklagtem und Verteidiger vorher schon anderweitig festgestellt? Falls nein, könnte das unhöfliche Benehmen des Vorsitzenden ja durchaus noch taktisch genutzt werden.

Kerstin Rueber-Unkelbach LL.M. hat gesagt…

@RA Neldner: Sie denken in Richtung Revision? Wenn die Schulklasse nach der Vorstellungsrunde das Protokoll führen würde, könnte die Revision erfolgreich sein, zumindest bei einem § 140 StPO. Ansonsten glaube ich nicht, dass es oft vorkommt, dass der Protokollführer vergisst, einen Verfahrensbeteiligten aufzuführen.

Werner Siebers hat gesagt…

@RA Neidner: Sie dürfen mir glauben, dass es mir eine Freude war, die Peinlichkeit zu Gunsten meines Mandanten auszunutzen.

RA Neldner hat gesagt…

Ich kenne es eigentlich nur so, dass der Vorsitzende die Anwesenheit feststellt, was der Urkundsbeamte dann entsprechend notiert. Ich habe allerdings noch nicht erlebt, dass das vergessen wurde. Egal ob mit Show fürs Publikum oder ohne.
Ohne Anwesenheit des Angeklagten kann allerdings grundsätzlich genauso wenig verhandelt werden, wie ohne Pflichtverteidiger. Ob das im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung zu falschen Protokollen für eine erfolgreiche Revision reicht, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Aber einen unbeliebten Staatsanwalt sicherheitshalber noch Mal die Anklage verlesen lassen? xD
Es gibt sicherlich viele Möglichkeiten einen solchen Fauxpas zu nutzen.

Anonym hat gesagt…

Tragisch, aber wahr: Der Verteidiger hat im Strafprozess nun einmal eine Statistenrolle und der Angeklagte ist Objekt. Da kann im GG und der StPO noch so viel Gegenteiliges stehen

laertes hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
laertes hat gesagt…

das verhalten des richters liefert eine vortrefflich-bildhafte darstellung der rolle des verteidigers im strafprozess aus sicht der justizbehörden:
er wird nicht nur nicht ernst-, sondern gar nicht erst als verfahrensbeteiligter wahrgenommen.
traurig. und weit verbreitet.

 

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