Bayern will das Jugendstrafrecht einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel zufolge verschärfen. Geplant sei, die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Gewalttäter auch für kriminelle Jugendliche einzuführen. Einen entsprechenden Entwurf wolle die bayerische Justizministerin Beate Merk am kommenden Freitag in den Bundesrat einbringen, berichtet der Spiegel . Ein ähnlicher Entwurf der Bundesländer Bayern und Thüringen aus dem vergangenen Jahr war durch die Bundestagswahl verfallen.
Quelle: focus
"Schnapsideen entstehen, wenn Hochprozentiges in mit Weisswurstmasse versetzte Hirne eindringt" teilte mir ein in München als Strafverteidiger tätiger Kollege, der namentlich nicht genannt werden will, ob dieser Meldung gerade mit.
Schon von Interesse könnte sein, wie die nachträgliche Sicherungsverwahrung mit dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts zu vereinbaren sein soll. Das riecht wieder sehr nach populärer Stammtischpolitik, mit der der "Mensch von der Straße" als Wähler geködert werden soll. Der nächste Schritt ist: Rübe ab!
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8 Kommentare:
Sie haben ja grundsätzlich recht. Ich muss aber gerade an einen Fall aus meiner Heimatstadt denken, wo ein 20jähriger am Tod von 7 Menschen beteiligt war bzw. selbst getötet hat, eiskalt mit Kopfschuss. (Reviersteitigkeiten im Drogenmilieu).
Er hat die Höchststrafe nach Jugendstrafrecht von 10 Jahren bekommen. Angemessen ?
Ich kenne den Fall nicht. Bei einem 20jährigen wäre auch das Erwachsenenstrafrecht anwendbar. Angemessen? Was ist schon angemessen, jedenfalls nicht mehr, als eine rechtsordnung zulässt, meine ich.
Mir fällt es schwer, mir über einen Entwurf eine Meinung zu bilden, von dem irgendwo (Quelle habe ich nicht gefunden - Spiegel oder focus?) die Presse berichtet, den ich nicht gelesen habe. Das bayerische Justizministerium hat sich in seinen Pressemitteilungen hierzu nicht ausgelassen. Stimmt denn, was Spiegel-online verbreitet? Vorher würde ich ungern über Weißwurst an unpassenden Stellen reflektieren.
Bayern hält seinen konsequenten Kurs gegen hochgefährliche Gewalt- und Sexualverbrecher: Bayern wird am Freitag gemeinsam mit Thüringen eine Gesetzesinitiative gegen Rückfalltaten gefährlicher junger Gewalttäter im Bundesrat vorstellen. Bayerns Bundesratsminister Erwin Huber: „Brutale Gewalttaten der jüngsten Vergangenheit haben deutlich gemacht, dass der Schutz der Bevölkerung vor einschlägig vorbestraften, höchst gefährlichen jungen Intensivtätern dringend verbessert werden muss. Künftig darf es auch bei jungen rückfallgefährdeten Sexual- und Gewaltverbrechern keine Sicherheitslücke zu Lasten der Bevölkerung mehr geben. Wer so schwere Straftaten begeht, darf nicht in Freiheit entlassen werden, wenn ein erneuter Rückfall mit weiteren schwersten Straftaten wahrscheinlich ist. Hier darf das Alter kein Schutzschild sein.“
Die bayerische Initiative leistet einen wesentlichen Beitrag, um die Gefahr schwerster Rückfalltaten junger Gewalttäter zu mindern. Huber: „Während die Bundesregierung trotz offensichtlicher Regelungslücken, keinen Handlungsbedarf sieht, wird Bayern alle Hebel in Bewegung setzen, um vor allem Kinder vor solch hochgefährlichen Rückfalltätern zu schützen.“ Huber warnte die Bundesregierung davor, die bayerische Gesetzesinitiative zu torpedieren oder weich zu spülen: „Jetzt muss die Bundesregierung Farbe bekennen, was ihr wichtiger ist: Junge unschuldige Opfer oder junge einschlägig vorbestrafte Täter, die im Jugendstrafvollzug nicht bereit waren, an sich zu arbeiten.“
Der Gesetzentwurf enthält ein Bündel von Maßnahmen zur Vermeidung von Rückfalltaten gefährlicher junger Gewalttäter:
* Nachträgliche Sicherungsverwahrung soll unter engen Voraussetzungen jetzt erstmals auch für nach Jugendstrafrecht verurteilte Täter möglich sein.
Bei Anwendung von Jugendstrafrecht gegen Jugendliche oder Heranwachsende soll die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden können, wenn eine Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verhängt worden war und die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und seiner Entwicklung im Jugendstrafvollzug ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Die Sicherungsverwahrung in diesem Bereich soll einer jährlichen Überprüfung durch ein Gericht unterliegen.
* Für Heranwachsende, soll regelmäßig kein Jugendstrafrecht, sondern Erwachsenenstrafrecht angewendet werden. Sicherungsverwahrung ist für sie in diesen Fällen genauso möglich wie bei Erwachsenen.
Der Gesetzentwurf sieht die regelmäßige Anwendung des allgemeinen Strafrechts auf Heranwachsende vor. Nur in Ausnahmefällen, die das Gericht begründen muss, darf weiterhin Jugendstrafrecht angewendet werden. Huber: „Heranwachsende sind Erwachsene mit allen Rechten und Pflichten. Wenn das so ist, dann sollen sie im Normalfall auch vom Strafrecht als solche behandelt werden.“ Darüber hinaus soll die Sicherungsverwahrung nun auch bei Heranwachsenden, auf die allgemeines Strafrecht Anwendung findet, im gleichen Umfang, wie bei Erwachsenen zulässig sein
* Anhebung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht auf 15 Jahre
Wird ein Heranwachsender ausnahmsweise nach Jugendstrafrecht verurteilt, so sollen bei schwersten Straftaten künftig bis zu 15 statt wie bisher lediglich bis zu 10 Jahre Jugendstrafe verhängt werden können. Huber: „Bei schwersten Kapitalverbrechen reichen 10 Jahre Jugendstrafe als Höchststrafe nicht aus. Es ist nicht hinnehmbar, dass 18- bis 21-jährige Mörder schlimmstenfalls mit einer Jugendstrafe von 10 Jahren rechnen müssen. Das führt zu unerträglichen Ergebnissen, die das Vertrauen der Bevölkerung in unsere Rechtsordnung nachhaltig erschüttern. Eine längere Strafe kann gerade in diesen Fällen eine Resozialisierung fördern.“
* Die Führungsaufsicht soll wirksamer werden.
Gerichte können Verurteilten strafbewehrte Therapieweisungen und Kontaktverbote erteilen. Der Strafrahmen für Verstöße gegen Weisungen während der Führungsaufsicht wird von einem Jahr auf drei Jahre erhöht. Huber: „Dadurch kann Therapieanordnungen und Kontaktsperren mehr Nachdruck verliehen werden, da die Verurteilten im Fall einer Missachtung dieser Weisungen eine erneute Bestrafung fürchten müssen.“
zu finden hier:
http://tinyurl.com/fdhob
Zumindest am Erziehungsauftrag im Jugendstrafvollzug will man in Bayern festhalten (wenn auch mit stringenten Mitteln): "Der Erziehungsauftrag des Jugendstrafvollzugs hat sich dabei bewährt. Merk: "Bei jungen Menschen kann der Vollzug viel bewirken. Dem Schutz der Bevölkerung ist am besten gedient, wenn der Gefangene während der Haft sicher untergebracht ist und dort mit ihm konsequent gearbeitet wird, damit er bei seiner Entlassung auf ein straffreies Leben in Freiheit vorbereitet ist. Das muss die Maxime des Gesetzes sein."
Das habe ich in einer Pressemitteilung vom 01.03.06 gefunden - Stellungnahme in Erwartung des Urteils des BVerfG zur gestzlichen Regelung des Jugendstrafvollzugs - hier:
http://tinyurl.com/omhop
Die Bundesratsinitiative vom April 2005 wurde zwangsläufig ad acta gelegt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so mehrheitlich wieder aufgegriffen wird - klingt eher nach Wahlkampfgetöse aus dem Jahr 2005. In der sache selbst ist ein Kern nicht ganz abwegig - Stammtisch hin - Stammtisch her. "Bürgerwehr" gegen freigelassene potentielle Täter wäre schrecklicher, weil dagegen vorher keine richterliche Überprüfung möglich wäre. Übrigens, m.E. geht es lediglich um einige spektakuläre Extremfälle. Es kommt darauf an, wie einschränkend gesetzliche Regelungen wären. Ein Denkverbot sollte es nicht geben.
"Bei jungen Menschen kann der Vollzug viel bewirken. Dem Schutz der Bevölkerung ist am besten gedient, wenn der Gefangene während der Haft sicher untergebracht ist und dort mit ihm konsequent gearbeitet wird, damit er bei seiner Entlassung auf ein straffreies Leben in Freiheit vorbereitet ist."
Wenn ich das mit der aktuellen Rechtsprechung des BGH zur nachträglichen SV vergleiche, dass nämlich nur nachträglich eingetretene Umstände verwertet werden dürfen, dann passt das irgendwie nicht zusammen.
Aber Denkverbote darf es wirklich nicht geben, da stimme ich zu.
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