05 April 2010

Nicht völlig entwurzelt

Was Verwaltungsgerichte in Abschiebesachen vom warmen Sessel aus so alles beurteilen und entscheiden, treibt einem hin und wieder die Tränen in die Augen.

Ein feines Beispiel hat es jetzt bezüglich eines jungen Mannes gegeben, der in der Jugendanstalt Leineberg in Göttingen resozialisiert wurde.
Der junge Mann (23) war ohne Zweifel zu Recht in der Jugendhaft. Weil seine Jugendstrafe mehr als zwei Jahre betrug, blieb sein ausländerrechtlicher Status ungeklärt. Am Leineberg wurde er in das vielfach gelobte und mit dem Deutschen Förderpreis Kriminalprävention ausgezeichnete Projekt Basis aufgenommen, das gestrauchelte Jugendliche auf den rechten Weg zurück führt. Leonardo galt schnell als Musterhäftling, der in den Medien als Beleg für den Erfolg von Resozialisierung vorgeführt wurde. Doch als seine Strafe verbüßt war und er kurz vor der Heirat stand, verfügte der Landkreis Göttingen seine Ausreise. Die Vorstrafen, so die leidige Praxis für alle Mitarbeiter der Jugendanstalt, wiegen schwerer als alle Besserung. Das bestätigte schließlich auch das Verwaltungsgericht, das O. Abschiebeschutz verweigerte. Er sei im Herkunftsland, das er als Zehnjähriger verließ, „nicht völlig entwurzelt“.
Quelle: Göttinger Tageblatt

Jürgen Gückel, seit 1996 Polizei- und Gerichtsreporter beim Göttinger Tageblatt und Preisträger des Regino Preises 2000, meint dazu:

Man könnte an dieser Stelle einige Vorwürfe gegen Justiz- und Ausländerpolitik und die Abschiebepraxis wiederholen: Etwa, wie unsinnig es ist, straffällige junge Menschen für ein Leben nach der Abschiebung zu resozialisieren. Oder wie weltfremd es ist, 23-Jährige, die als Kleinkinder ihr Geburtsland verließen und hier erst erwachsen wurden, nach 13 Jahren Deutschland als „im Herkunftsland nicht völlig entwurzelt“ zu bezeichnen. Oder auch, wie unmenschlich es ist, eine geplante Hochzeit zu vereiteln und einen der Partner in die Illegalität zu treiben.
Schlimmer noch ist die Ignoranz der Justizpolitik, die es fertig bringt, innerhalb weniger Jahre tolle Organisationsreformen (zurzeit ist die Jugendanstalt Teil der JA Hameln) zu verwirklichen, die an der Zukunftsperspektive junger Ausländer im Jugendvollzug aber nichts ändert. Warum sollten diese sich eigentlich bessern, wenn sie doch abgeschoben werden? Ein Problem seit Jahrzehnten, und keiner ändert etwas.

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung




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1 Kommentar:

Sabrina hat gesagt…

Was ist das denn für ein überheblicher Ansatz? "Für ein Leben in Brasilien resozialisieren lohnt die Mühe nicht", oder wie?? Für den jungen Intensiv-Straftäter sollte es sich doch auf jeden Fall gelohnt haben, wenn er jetzt wieder "gesellschaftsfähig" ist, egal ob in D oder in Brasilien.

 

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