21 August 2010

Zellengeil


Anders kann man wohl manche Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften und Ermittlungsrichter nicht bezeichnen, wenn man so analysiert, wann und in welchen Fällen die Herr/Frauschaften gerne an die Zellen anderer Menschen kommen wollen, um DNA-Analysen vorzunehmen und ihre Speichersucht zu befriedigen.

Am übelsten muss dabei insbesondere eingeschätzt werden, was in diesem Zusammenhang von völlig kritiklosen Richtern so alles durchgewunken, abgenickt und unterschrieben wird.

Glücklicherweise gibt es dann hin und wieder Landgerichte, die diesem unsäglichen Treiben einen Riegel vorschieben, so wie unlängst das Landgericht Braunschweig (Beschluss vom 20.07.2010, 8 Qs 212/10, erwirkt von Handschellen / RA Andreas Dieler):

Die Beschwerde i. S. d. § 304 Abs. 1 StPO ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Beschluss des Amtsgerichts vom YY.YY.2010 war aufzuheben, da die Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 StPO nicht vorliegen. Zwar wurde der Betroffene wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung i. S. d. § 81g Abs. 1 StPO verurteilt, nämlich wegen Verbrechen nach §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Es kann vorliegend aber keine Wiederholungsgefahr i. S. d. § 81g Abs. 1 StPO angenommen werden. Die Speicherung des genetischen Fingerabdrucks darf nur bei angemessener Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angeordnet werden. Dazu ist das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen jeweils einzelfallbezogen darzulegen. In die vorzunehmende Würdigung ist insbesondere eine Strafaussetzung zur Bewährung einzubeziehen. Eine solche schließt zwar nicht automatisch eine negative Prognose aus. Will das Gericht aber von der im Rahmen der Bewährungsentscheidung getroffenen positiven Prognose abweichen, muss dies im Einzelnen begründet werden (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2009 —2 BvR 287/09, 2 BvR 400/09, in: MMR 2009, S. 577 = BeckRS 2009, 34898). Dies ist hier nicht geschehen und eine negative Prognose i. S. d. § 81g Abs. 1 StPO kann — in Anbetracht der Ausführungen im Urteils des Amtsgerichts Braunschweig vom XX.XX.2007 und der Tatsache, dass der Betroffene daneben überhaupt nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist — vorliegend auch nicht angenommen werden.

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STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
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1 Kommentar:

Sita hat gesagt…

Eine wichtige Entscheidung zu Abwägungsfragen betr. Datenschutz (allg. Persönlichkeitsrecht) und öffentlichem Interesse an der Wahrheitsfindung. In diesem Bereich liegt wohl (immer) noch vieles im Argen.

 

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