28 Januar 2010

Fluchtgefahr und die Phantasie der Haftrichter

Es ist schlicht eine bodenlose Frechheit, was tagtäglich in Deutschland von einem Großteil der Haftrichter verbrochen wird.

"Es besteht Fluchtgefahr aufgrund der Höhe der zu erwartenden Strafe"

Ich mag diesen Satz nicht mehr lesen; alle, die ihn schreiben, diktieren oder schreiben lassen, wissen ganz genau, dass beinahe alle Obergerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht deutlich mehr verlangen, eine Auseinandersetzung mit der konkret zu erwartenden Strafe, eine Auseinandersetzung mit der Prognose, ob eine Bewährung zu erwarten ist, eine Auseinandersetzung mit sozialen Bindungen etc.

Und was geschieht fast immer: nichts, nur der oben zitierte Satz.

Man sollte jetzt den Spieß umdrehen, wir werden in einem dieser Extremfälle jetzt den Verdacht auf Freiheitsberaubung im Amte prüfen lassen. Wird sicher eingestellt, aber einen Schuss vor den Bug vertragen die Herrschaften mit ihrer bunten Phantasie sicher.

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung

6 Kommentare:

RA JM hat gesagt…

Und nicht zu vergessen Art. 6 Abs. II EMRK:

"Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig."

Werner Siebers hat gesagt…

Wer schon die StPO ignoriert, wird sich von solchen EMRKonvoluten nicht schrecken lassen.

Anonym hat gesagt…

Ihnen ist aber schon aufgefallen, dass das BVerfG zwischen dem Haftbefehl einerseits, Haftprüfung/Haftbeschwerde andererseits unterscheidet?

Werner Siebers hat gesagt…

Es fällt schon auf, dass die Voraussetzungen auch bei Erlass des Haftbefehls sehr wohl zu prüfen sind und nicht quasi blind jemand in haft geschickt werden darf.

Anonym hat gesagt…

Die knappe (Nicht-) Begründung wäre ja noch nicht zu beanstanden, wenn es um eine Kapitalstraftat mit relativ eindeutiger Beweislage ginge. Häufig findet man diese Floskel jedoch auch bei Vorwürfen, bei denen jeder halbwegs erfahrene Strafjurist auf den ersten Blick erkennen kann, daß schlimmstenfalls eine Strafe herauskommen kann, die nach allgemeiner Rechtsprechung keinesfalls die Fluchtgefahr zu begründen vermag. Zumal eine hohe Strafaussicht für sich allein ohnehin nicht genügt.

Ich habe auch noch nie erlebt, daß sich ein Mandant dem Verfahren durch Flucht entzogen hätte. Gerade die vielen Fällen, in denen - aus welchen Gründen auch immer - trotz recht hoher Straferwartung von der Anordnung der U-Haft abgesehen wird und der Beschuldigte trotzdem nicht abhaut (wohin auch?), belegt doch die Haltlosigkeit der Unterstellung einer Fluchtgefahr in 99% der Fälle.

Stiffler hat gesagt…

ja die richter und staatsanwälte mal wieder... ist doch immer so.

 

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