28 April 2010

Blöd aus der Wäsche geschaut

In der ersten Instanz war der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die damalige Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, die auch in der Sache selbst zuständig gewesen war, hatte beantragt:

2 Jahre und 9 Monate

Der erstinstanzliche Verteidiger hatte beantragt:

2 Jahre und 9 Monate

Das Urteil lautete dann:

2 Jahre und 9 Monate

Genau dieselbe Staatsanwältin hatte dann ohne nähere Begründung Berufung eingelegt, als Reaktion darauf der erstinstanzliche Verteidiger ebenfalls.

Und nun saßen wir alle vor dem Berufungsgericht, ein anderer Staatsanwalt und ich als neuer Verteidiger, schauten blöd aus der Wäsche, und alle fragten sich: Was wollen wir hier eigentlich?

Ergebnis war dann eine gegenseitige Berufungsrücknahme mit Zustimmung des Angeklagten, dessen letzte Hoffnung, dass es vielleicht doch noch etwas besser hätte werden können, auch nicht besonders groß gewesen war.

Das war dann für alle Beteiligten eine intellektuell hochstehende Veranstaltung mit raschem Ende.

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
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4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vielleicht war gerade kein Haftplatz frei und die Staatsanwältin wollte die Rechtskraft des Urteils hinauszögern. Vielleicht steht sie aber auch mit der Bezirksrevisorin auf Kriegsfuß und wollte noch ein paar Kosten produzieren. Möglicherweise wollte sie aber auch eine Grundsatzentscheidung des OLG zur materiellrechtlichen Bewertung, wußte aber nicht, wie man Sprungrevision einlegt. Oder sie hat am Ende eines langen Sitzungstages einfach die Verfahren verwechselt und ärgert sich jetzt darüber, daß in einer anderen Sache versehenlich keine Berufung eingelegt worden ist.

Es gibt so viele Möglichkeiten...

Ko hat gesagt…

Oder die Staatsanwältin wollte der verarmten Anwaltschaft noch eine Gelegenheit geben, etwas Geld zum Überleben zu verdienen.

kj hat gesagt…

ganz falsch. Die Staatsanwältin war vernünftig, sie ist aber weiseungsgebunden und dem Abteilungsleiter war das Strafmass zu wenig, ohne den Sachverhalt richtig zu kennen. Besserwisser. Dann war er zu faul in die Berufung selber zu gehen. Nachdem sie vom Berufungsgericht zur Rücknahme gedrängt wurde, konnte sie das Strafmass besser vertreten, da Amtsrichter gehaltsmäßig unter denen der Abteilungsleiter stehen, Landgerichtsvorsitzende nicht.

kj hat gesagt…

Es ist das Unfaire am deutschen Strafprosseß, dass leider oft diejenigen über Strafmass und Einstellungen entscheiden, die nicht in der Hauptverhandlung sind. Aber offensichtlich stört das niemand.

 

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