21 April 2010

Rüttgers betrunken?

Im Wahlkampf fallen Politiker immer wieder die surrilsten Schnapsideen ein, um den dümmsten Wähler zu beeindrucken; was aber jetzt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von der CDU im Wahlkampf in NRW ausgegraben hat, ist weniger Idee und spricht nur noch für viel zu viel Schnaps:
Rüttgers warf auch die Frage auf, ob die «Polizei nicht auch Anklagebehörde» bei kleineren Delikten wie Schwarzfahren, Laden­diebstahl, Sachbeschädigung oder Unfallflucht sein könne. Das würde auch die Strafverfahren entbürokratisieren und die Staatsanwaltschaften entlasten, sagte der Ministerpräsident. Bisher kann nur die Staatsanwaltschaft Straftäter anklagen.
Quelle: ddp

DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung



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20 Kommentare:

Martina hat gesagt…

Das mag ja so sein, aber wie wäre es zur Abwechslung mal mit einem Argument?

Carsten R. Hoenig hat gesagt…

@ Martina:

Es gibt da so eine Dunkelnorm, die Herrn Rüttgers wohl ebenso unbekannt ist, wie Ihnen. Art. 20 Grundgesetz.

Das Ding mit der Trennung von Gesetzgebung, Anwendung der Gesetze und der Rechtsprechung macht seit einiger Zeit bereits die Runde.

Der Roman "De l'esprit des lois" vom Baron Montesquieu handelt davon. Aber höchst wahrscheinlich haben Sie 1748 noch nicht gelebt, deswegen können Sie die Geschichte auch nicht kennen.

Pascal hat gesagt…

Wer hat Herrn Rüttgers denn für diese Aussage bezahlt?

RA JM hat gesagt…

Na, das ist doch wieder einen " Orden wider den tierischen Ernst" wert. ;-)

Bedauerlich nur, dass der Herr Volljurist (wie passend) und Dr. iur. ist. :-(

Anonym hat gesagt…

@Martina Sehr geehrte Frau POK oder so, Ihnen würde es sicher noch besser gefallen, wenn die Polizei nicht nur anklagt sondern gleich auch noch urteilt. Oder?

Und die Vollstreckung im Revier unten im Keller - bei Waasser und Brot.

Akte hat gesagt…

Das könnte man noch ausbauen:

Die "Übercops": Verbrechen aufklären, Verbrecher verurteilen und gleich bestrafen. Alle Dienstleistungen aus einer Hand. 3 zum Preis von 1. Wie bei Judge Dredd. Super!

Martina hat gesagt…

Sehr geehrte Herren Rechtsanwälte, ich danke für die Belehrung.

Da ich nicht wie Sie an der Universität die Rechte studiert habe, bitte ich aber noch um eine weitere Erläuterung: Ihnen missfällt im Hinblick auf die Gewaltenteilung offenbar, dass in Gestalt der Polizei ein Organ der Exekutive die Anklage übernehmen soll. Aber zu welcher der drei Staatsgewalten gehört denn die Staatsanwaltschaft (von der Sie ja wollen, dass sie weiterhin allein für die Anklageerhebung zuständig sein soll)?

Mit bestem Dank,
Ihr POK Martina

Oberlippenbartrasierer hat gesagt…

Wenn der gemeine POK vor Gericht die Anklage vertreten würde, gäbe es bestimmt massenhaft neue Witzchen und Anekdoten aus dem Gerichtssaal zu berichten.

Maschinist hat gesagt…

Und den Richterjob machen sie gleich mit.

Judge Dredd - NRW Edition...

So stellt sich CDU nun mal Law&Order vor - Alles aus einer Hand!

Malte S. hat gesagt…

Das Gewaltenteilungsargument fängt nun wirklich nicht. Polizei und StA gehören beide der Exekutive an. Sie haben beide einen (vermeintlich) objektiven Auftrag, nämlich die Aufklärung von Verbrechen. Die StA hat zudem primär auch die Anklagevertretung. Das könnte man durchaus auf andere Organe / Behörden des Staates auslagern.

Ich frage mich nur, ob man die hierfür erhöhten finanziellen Mittel nicht lieber doch der - immerhin theoretisch rechtskundigen - StA zur Erhöhung ihres Personals zur Verfügung stellen sollte.

Martina hat gesagt…

Danke, Malte. Offenbar ist es doch sinnvoll, "das Ding mit der Trennung von Gesetzgebung, Anwendung der Gesetze und der Rechtsprechung" mehr als nur dem Namen nach zu kennen. Aber das hört man ja immer wieder, dass Juristen gar nicht richtig studiert haben, sondern sich nur kurz vor dem Examen von kommerziellen Nachhilfelehrern das Allernötigste einpauken lassen.

Eure POK Martina

Lore hat gesagt…

Ach ja, und das "was man immer wieder hört" ist dann auch die absolute Wahrheit, die man mal schnell öffentlich weiter verbreiten muss.

Genau solche POKs braucht das Land, die dann auch noch vor Gericht anklagen, was sie gerade mal so "immer wieder gehört" haben.
Wohl auch bei "Nachhilfelehrern" gewesen, die Ihnen das Allernötigste eingepaukt haben, liebe POK Martina?!

Remidemi hat gesagt…

@Martina: POK? Ist das nicht schon der gehobenen Polizeivollzugsdienst? Wie sind Sie da nur reingekommen? ;-)

RA Müller hat gesagt…

Nett repliziert @ Martina

Vielleicht bestehen die Bedenken der Kollegen ja darin, daß es sich bei der Staatsanwaltschaft im Gegensatz zur Polizei um die "neutralste Behörde der Welt" handelt und damit auch weiterhin die Anklagen selbst verfassen soll ;)

Rechtsanwalt Krause hat gesagt…

Verdammt, ich komme mit meinem Verweis auf den cineastischen Leckerbissen "Judge Dredd" zu spät...

Anonym hat gesagt…

Alexander

Wenn man so hört, was manche Polizisten als Zeugen äussern ("Völlig unerheblich, ob das Messgerät geeicht war, wer betrunken fährt gehört bestraft."), kann man sich auf die Gerichtsverfahren freuen. Solange die Richter noch Volljuristen sind, bin ich beruhigt. Außerdem führt das vielleicht dazu, dass endlich die ursprünglich im Ermittlungsverfahren anfallenden Verteidigerauslagen schließlich vom Staat getragen werden: Bislang werden viele Kleinverfahren eingestellt, nachdem man Stellung genommen hat, die Kosten des eigenen Verteidigers trägt der Beschuldigte. Wird jetzt vorschnell angeklagt (und freigesprochen), blutet der Staat.

Allerdings wäre das die Gelegenheit, eine Norm wie § 109a Abs. II OWiG auch auf solche kleineren Strafverfahren anzuwenden - dann würde die Staatskasse sogar bei der Auslagenerstattung sparen.

Martina hat gesagt…

Offenbar hat der Rep den studierten Herren auch das berühmte Zitat von Franz v. Liszt allenfalls so ungefähr vermittelt. In seinem vollen Wortlaut lautet es bekanntlich: "Die Parteistellung der Staatsanwaltschaft ist durch unsere Prozessordnung besonders verdunkelt worden. Durch die Aufstellung des Legalitätsprinzips, durch die dem Staatsanwalt auferlegte Verpflichtung in gleicher Weise Entlastungs- wie Belastungsmomente zu prüfen, könnte ein bloßer Civiljurist ... zu der Annahme verleitet werden, als wäre die Staatsanwaltschaft nicht Partei, sondern die objektivste Behörde der Welt. Ein Blick in das Gesetz reicht aber aus, um diese Entgleisung als solche zu erkennen." Richtigerweise, so v. Liszt, seien "Staatsanwalt und Verteidiger... in gleicher Weise berufen, der Wahrheitsfindung zu dienen, aber nicht unmittelbar, sondern mittelbar, d.h. dadurch, dass jeder seinen Parteienstandpunkt wahrnimmt, soll Wahrheit kund werden" (v. Liszt, Die Stellung des Verteidigers im Strafverfahren, DJZ 1901 Sp. 179).

Um weiteren Missverständnissen der Herren Volljuristen vorzubeugen: Das Legalitätsprinzip, also die gesetzliche Vorgabe, dass die Staatsanwaltschaft „nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln“ und dem Verlust von Entlastungsbeweisen vorzubeugen habe (§ 160 Abs. 2 StPO), gilt auch für jeden Polizeibeamten, mag er als Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft ermitteln oder in eigener Kompetenz.

Immer noch auf ein juristisch halbwegs haltbares Argument wartend

Eure POK Martina

whocares hat gesagt…

Man sehe das einfach mal von einer anderen Seite: Frau Müller-Piepenkötter hat in ihrer Amtszeit ja mehrfach ihre Inkompetenz eindrucksvoll unter Beweis gestellt - da scheint es nur logisch, Aufgaben vom Justizministerium hinweg zum Innenministerium zu delegieren. Da ist die Sache auch in richtigen Händen, denn vom GG hält Herr Wolf in etwa soviel wie sein Chef.

Glücklicherweise bin ich am 9. Mai wahlberechtigt und werde dieses Recht auch wahrnehmen.

Werner Siebers hat gesagt…

So schlau, wie Martina ist, mache ich sie jetzt mal zwanglos zur PHKin.

Was zahlen Sie mir, dass ich Ihnen hier diese Plattform zu Ihrer Selbstbefriedigung gebe, allen zu zeigen, wie gut und schnell bei Google genau das gefunden werden kann, das man meint, gerade zu brauchen.

Und ich schließe mich Ihrer Meinung an. Polizisten als Ankläger, damit die dann ihre eigenen Ermittlungsfehler (falsche Wahlgegenüberstellung, keine oder falsche Belehrung, unzulässige Ermittlungsmethoden usw bis unendlich) besser vertuschen und/oder vertreten können.

Martina hat gesagt…

Lieber Werner,

ich danke herzlich für die Beförderung.

Und Sie haben natürlich völlig recht, dass es wenig gibt, was man nicht auch ergoogeln kann. Vielleicht sollten Sie den Tipp auch mal an Ihren Kumpel Hoenig geben, bevor der wieder so etwas schreibt wie die Nichtzugehörigkeit der Staatsanwaltschaft zur Exekutive.

Für die Strafverfolgungsorgane insgesamt finde ich es auch sehr begrüßenswert, dass Sie endlich einmal ausdrücklich anerkennen, welche positive Funktion die StA wahrnimmt. Aus einigen früheren Ihrer Postings hatte ich den Eindruck gewonnen, Sie wüssten das nicht recht zu schätzen.

Ihre Martina (jetzt PHK')

 

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