16 Februar 2008

Geschwindigkeitsrekord

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit dem Beschluss vom 12.02.2008 die verfassungs-rechtlichen Bedenken gegen das NJVollzG (Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz) eindrucksvoll zusammengefasst. Der Vorsitzende der Strafverteidigervereinigung Niedersachsen / Bremen, Rechtsanwalt Hans Holtermann aus Hannover, erklärte dazu: „Noch nie ist ein Gesetz so schnell von einem Obergericht für verfassungswidrig angesehen worden. Der gesetzgeberische Fehltritt muss so schnell wie möglich korrigert werden!“

Dazu auszugsweise die

Presseerklärung

der Strafverteidigervereinigung Niedersachsen / Bremen

zum Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 12.02.2008 (Az: 1 Ws 87/08, im Internet: http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/root.php4) das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil es die Regelungen über die Briefkontrolle bei Untersuchungsgefangenen im Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) für verfassungswidrig hält.

Das NJVollzG ist zum 01.01.2008 in Kraft getreten und hat sämtliche Zuständigkeiten für die Durchführung der Untersuchungshaft auf den Ermittlungsrichter am Sitz der Haftanstalt übertragen. Vorher lag die Zuständigkeit aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 126 Strafprozessordnung entweder beim Richter, der den Haftbefehl erlassen hatte, oder beim Richter, der über die Anklage zu entscheiden hatte. Nunmehr sollen Richter entscheiden, die mit dem Strafverfahren gegen den Betroffenen überhaupt nicht befasst sind.

Die Regelung hat gleich nach ihrem Inkrafttreten einen Sturm der Entrüstung aller Justizpraktiker hervorgerufen. Sie ist erst kurz vor der Abstimmung des niedersächsischen Landtages in aller Eile in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden, ohne dazu die Verbände von Richtern, Staatsanwälten, Verteidigern oder Anstaltsleitern anzuhören – und dies, obwohl das Bundesjustizministerium noch im Sommer 2007 auf verfassungsrechtliche Bedenken gegen Regelungen der U-Haft auf Länderebene hingewiesen hatte.

Die sach- und praxisfremde Gesetzesregelung hat dazu geführt, dass

- Verteidiger nicht zu Untersuchungsgefangenen gelangten, weil der neu zuständige und sofort überlastete Richter keine Genehmigung für ein erstes Gespräch ausstellen konnte;

- von einem Tag auf den anderen Besuchsgenehmigungen nicht mehr galten und deshalb Besuche von Angehörigen nicht zugelassen wurden;

- die Kontrolle von Briefen sich um Wochen und Monate verzögerte (einige Richter sind noch immer mit der Kontrolle der Weihnachtspost befasst!).


Wobei die Sache mit der Weihnachtspost vielleicht ein wenig zu relativieren ist, wie hier nachzulesen.

Jedenfalls wäre es der Sache möglicherweise zuträglich, wenn bei unzumutbarer Dauer der Weiterleitung von Briefen zunächst Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die ausführenden Organe erstattet werden und, falls diese nicht zeitnah bearbeitet werden, gegen die Organe, die die Dienstaufsichtsbeschwerden zu bearbeiten hätten wegen der lahmen Bearbeitung, um dann ... . Es dauert nicht besonders lange, bis man mit dieser Kette beim Ministerium landet, vielleicht braucht man dann zur Gesetzesänderung nicht einmal mehr das Bundesverfassungsgericht.



Keine Kommentare:

 

kostenloser Counter

XING frisch gebloggt Newstin Piratenblogger Blog Top Liste - by TopBlogs.de