Der Angeklagte wird beobachtet, dass er auf sein Fahrrad steigt und ein wenig Schlangenlinien fährt. Das geschieht kurz vor 05.30 Uhr in einer Stadt, in der es ab 06.00 Uhr einen richterlichen Eildienst gibt.
Um 05.30 Uhr ordnet dann die erfahrene und natürlich über jeden Verdacht erhabene Polizeibeamtin wegen Gefahr im Verzuge - der angeblich im Blut befindliche Alkohol könnte sich ja in 30 Minuten irgendwie verstecken oder verflüchtigen - die Blutentnahme an.
Der Arzt kommt dann etwas später und die Blutentnahme geschieht um 05.50 Uhr, also 10 Minuten, bevor man die richterliche Anordnung hätte einholen können.
So weit, so schlecht!
Aber dass das Gericht einer südniedersächsischen Studentenstadt diese Vorgehensweise deckt und bestätigt, dass hier Gefahr im Verzuge (wegen 10! Minuten) war und die Umgehung des Richtervorbehaltes als zulässig ansieht, lässt mich die Frage aus der Überschrift stellen.
DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
14 Kommentare:
Richter sind eben die einzigen Menschen, denen applaudiert wird (wenigstens von der Pol / StA), wenn sie ihren Job nicht machen wollen. Und die auch im Übrigen keine Konsequenzen zu befürchten haben.
Es ist einmal Schwachsinn, dass für einen solchen geringfügigen körperlichen Eingriff ein Richtervorbehalt notwendig ist.
Sollten die die Blutentnahme einmal ablehnen? Wenn das Erfordenis besteht, so ist es auch blöd, das Gesetz so weit zu dehnen, nur um eine Verurteilung zu erreichen. Offenbar befürchtete der Richter dienstliche Konsequenzen, wenn er der StA nicht folgt. Die richterliche Unabhängigkeit ist ja nicht so stark, wie Anwälte annehmen. Der dritte Schwachsinn ist, wie vehement trunkende Radfahrer verfolgt werden. Die verursachen statistisch gesehen ja keine (ausser sich selbst vielleicht) Verkehrstote. Eine OWi würde auch ausreichen. Aber es geht ja nicht um Verkehrssicherheit, sondern um deutsche Ordnung.
Ich würde eher sagen, daß es im Hinblick auf die bereits 9 Jahre alte Rechtsprechung des BVerfG zur Erforderlichkeit eines richterlichen Eildienstes willkürlich ist, wenn in dieser südniedersächsischen Stadt nicht rund um die Uhr ein richterlicher Eildienst besteht. Denn wie ich die Saufgewohnheiten der dortigen Bevölkerung und die Durchsuchungs-praktiken der dortigen Polizei kenne, dürfte ein praktischer Bedarf für einen 24-Stunden-Dienst bestehen.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die richterlichen Notdienste häufig nur bis 21.00 Uhr und dann wieder erst ab 6.00 Uhr eingerichtet sind, obwohl ein Großteil der Ermittlungsmaßnahmen in die Nachtstunden fällt.
@kj: Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob der Richtervorbehalt in § 81a StPO sinnvoll ist. Aber solange er dort drin steht, ist er zu beachten.
Es ist schon peinlich, wie beinahe speichelleckend von Richtern vor der Staatsanwaltschaft gebuckelt wird, wenn man solche Fälle sieht.
"Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die richterlichen Notdienste häufig nur bis 21.00 Uhr und dann wieder erst ab 6.00 Uhr eingerichtet sind,..."
Weil die Zeit vor 6.00 Uhr und nach 21.00 Uhr einen Nachtzuschlag erforderlich macht und den "gönnt" man dem richterlichen Notdienst dann auch wieder nicht. :-D
@ kj: Und wenn der betrunkene Radfahrer sich später immer noch betrunken hinters Steuer seines PKW setzt?
@ Anonym
mit der Begründung könnten sie jeden Betrunkenen mit Auto einsperren...
Ich glaube eher, in deiner Überschrift ist ein Wort falsch:
streiche "oder", setze "und"
Sowas kann nur in Göttingen passiert sein!
Ein Mandant
Göttingen ist wirklich ein unangenehmes Städtchen, was die Justiz angeht.
Der andere Mandant
Warum eigentlich darf man nicht betrunken radfahren?
Darf man denn noch betrunken zu Fuß gehen?
Oder das Rad schieben?
Da verzichtet man (aus gutem Grund) auf autofahren, und dann sowas.
*kopfschüttel*
@anonym: Die Argumentation ist ein Autofahrer, der vielleicht zu schnell fährt, könnte durch falsche hektische Ausweichmanöver auf die Gegenfahrbahn raten und Tote verursachen. Statistisch gesehen kommt sowas so gut wie nie vor, im Gegensatz zu den vielen trunkenheitsbedingten Verkehrtoten von Autofahrern.
Wenn man richtig betrunken ist, kann man auch den PKW nehmen anstatt das Rad, nur die Promillegrenze liegt leicht höher.
Wird in etwa gleich bestraft. Nur wenn Tote oder Verletzte auftreten, kommt die Strafe dicke.
Die Tendenz geht dahin die Strafbarkeit oder Fahrerlaubnisentzug auch auf den Fußgänger und den Beifahrer (bei Kiffer ist man soweit) auszuweiten.
Mittlerweile ist das Entdeckungsrisiko als betrunkener Radfahrers auch höher als die des betrunkenen Autofahrers, die Polizei beachtet Radfahrer besonders.
Daher feiern wir unseren Fussballsieg auch nicht in der Kneipe sondern machen Privatparty daheim.
Ich habe die Göttinger Polizei Justiz als höflich, schnell und sachgerecht arbeitend erlebt.
Die Göttinger Justiz ist nicht sonderlich kompetent, das ist mir schon in verschiedenen Verfahren aufgefallen.
Ein Mandant
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