20 Juni 2010

Was ist eigentlich zeitnah?

Das Amtsgericht Braunschweig beauftragt einen Gutachter im Mai 2009 u.a. wie folgt:
Außerdem soll festgestellt werden, ob der Angeklagte den Hang hat, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen und die Gefahr besteht, das infolge eines solchen möglicherweise gegebenen Hanges die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Der Sachverständige soll außerdem feststellen, ob eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Angeklagten durch die Behandlung in eine Erziehungsanstalt zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen.
Die Explorationen erfolgen dann am 15.07.2009 und am 14.10.2009, ein Papier, das als Gutachten bezeichnet wird, wird dann erstellt am 08.06.2010, also knapp ein Jahr nach der ersten Exploration.

Ich werde versuchen, dazu beizutragen, dass solche Gutachter nie wieder einen Auftrag bekommen, wenn sie nicht frühzeitig mitteilen, dass sie gar nicht in der Lage sind, zeitnah ein Gutachten zu erstellen.



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8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Erziehungsanstalt ?

Anonym hat gesagt…

Finde ich sehr gut. Wäre schön, wenn Gerichte dass auch so handhaben würden. Ich kenne Gutachter, die gerne vom Gericht beauftragt werden, die nehmen sich etliche Monate Zeit und verweisen in dem Gutachten dann auch noch auf rein fiktive Literatur.

Werner Siebers hat gesagt…

@Anonym1: So lautet in der Tat der Text des Beschlusses.

Anonym hat gesagt…

Wahrscheinlich wird auch das Gericht wenig Interesse haben, den Gutachter noch einmal zu beauftragen. Normalerweise sind die Richer dort froh, wenn Sachen schnell vom Tisch kommen (schon wegen der Statistik...).

kj hat gesagt…

@anonym3: Richter die viel schaffen, gelten oft als oberflächlich, belasten die Geschäftsstelle und es wird Ihnen oft zusätzliche Arbeit aufgebürdet. Wichtiger sind Seilschaften, Anwesenheit bei Gericht von 10-14 Uhr und Schulterschluss mit der Staatsanwaltschaft. Akten die lange beim Gutachter liegen müssen entschuldigt lange nicht bearbeitet werden, und sorgen für einen höheren Aktenbestand. Belastend sind nur die Akten, die unbearbeitet im Richterfach liegen.

Helmut Karsten hat gesagt…

HAHA, schon wieder mal "Maßregelvollzug § 64 StGB. Das "Ermächtigungsgesetz" des StGB. Da ich davon ausgehen MUSS, der Probant IST bereits verurteilt (ansonsten wäre das ja schon mit der U-Haft unvereinbar), kann das betreffende GA nicht mehr zur vergabe des § 64 herangezogen werden. Wenn's um Alkohol gegangen ist, sind schon mal die rein medizinischen Werte (bez. Alkoholkrankheit) nicht mehr verwertbar. Gamma-GT und/oder Transferrinwert sind unabdingbar und schon nach 6 Monaten U-Haft nicht mehr konklosiv. Ein Gutachten zum 64'er steht auf drei Füßen. Erstens, Strafvorgeschichte des Probanden. Zweitens, med. Tatsachenbefunde. Drittens, psychologische Evaluation. Wenn also eines dieser "Beine" fehlt, ist das Gutachten wertlos.
Lesen Sie meine "Misere" um das Gutachten § 64.........

Anonym hat gesagt…

@kj: Ja genau, Richter haben nichts anderes zu tun, als sich bei der StA anzudienern. Geht es noch? Zu welchem Zweck? Da wedelt doch der Schwanz mit dem Hund! Sicher existiert hier und dort ein gewisses Verfolgungsinteresse - aber das liegt eher darin begründet, dass die betreffenden Richter ungern eine Person, von deren Schuld sie überzeugt sind, aus rein formalen Gründen laufen lassen.
"Seilschaften" existieren nach meiner Kenntnis nicht. Dies aus dem gleichen Grund, aus welchem es keine Anwesenheitspflichten gibt: Richter sind unabhängig und an manchen Tagen auch gar nicht anwesend. Arbeiten kann man halt auch anderswo; dafür an anderen Tagen auch bis lange nach 19 Uhr.
Belastend sind auch die Akten, die sich beim Sachverständigen befinden. Auch diese, bzw. der "Retent" mit den wesentlichen Verfahrensdaten wird regelmäßig wieder vorgelegt, was sich insbesondere in Zivilsachen summiert. Letztlich gilt, je höher der Bestand umso weniger Zeit bleibt, Sachen auch tatsächlich zu erledigen.

@Anonym:
Ich würde auf einen Fehler der Kanzlei tippen. Im Zweifel wurde der Beschluss diktiert und dann übersehen, dass dort anstelle von Entziehungsanstalt Erziehungsanstalt stand. Ich habe es häufig erlebt, dass nicht wie diktiert "MaßregelVOLLzug" sondern "MaßregelVERzug" im Beschluss geschrieben stand. Ich kann nicht ausschließen, dass ich das auch mal übersehen habe.

Aber gut, nur weil Du paranoid bist, heist das nicht, dass niemand hinter Dir her ist...

kj hat gesagt…

Es ist schon ärgerlich, wenn jemand freizusprechen ist, nur weil die Polizei falsch belehrt oder keinen richterlichen Beschluss eingeholt hat. aber ist halt so. Karrierefördernd ist aber hier im Osten der Ruf, viele hinter Gitter zu bringen, weniger besonders vorsichtig und rechtsstaatlich zu agieren. Mag aber nicht bundesweit richtig sein. Mal nicht zu kommen, da ohnehin nichts zu tun ist, weil alles abarbeitet ist, das kommt in meinem Land Druck auf. Die Amtsrichter die sich zu sehr auf ihre Unabhängigkeit pochen, werden gemassregelt (Aussage Staatssekretär Jumi). Das fleissige Kollegen in ihren Beurteilungen Oberflächlichkeit bescheinigt wird, aber gleichzeitig mit Arbeit überhäuft werden, ist hier auch Fakt. Und wer wen kennt, fördert die Karriereleiter enorm.
Aber schön, wenn die Zustände woanders nicht so sind.

 

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