Eine Strafkammer will mit zwei Berufsrichtern verhandeln, obwohl 280 Aktenbände, 8 Angeklagte und weitere Umstände eine eindeutige Sprache für drei Berufsrichter sprechen.
Auf eine entsprechende Rüge beschließt die Kammer, nun doch mit drei Berufsrichtern zu verhandeln, verkündet den Beschluss in alter Besetzung und teilt mit, dass die Hauptverhandlung in fünf Minuten neu beginnt, jetzt mit drei Berufsrichtern.
Gesagt, getan, man kommt mit dem dritten Mann aus der Kemenate, setzt sich hin und fängt an.
Auf meinen Einwand, dass ich zumindest dem Gebot der Höflichkeit folgend nun gern den Namen des neuen Beisitzers erfahren würde, teilt der Vorsitzende mit, von der Mitteilung habe man abgesehen, da nach erfolgreicher Besetzungsrüge die neue Besetzung nicht mehr mitteilen müsse, man arbeite da genau nach der Kommentierung.
Ok, Höflichkeit ist natürlich im Meyer/Goßner auch kein Thema!
DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
11 Kommentare:
Und was ist mit den Prozesshandlungen bisher, zum Beispiel dem Eröffnungsbeschluss? Da wird man zu gegebener Zeit sicher drüber nachdenken können...
der EÖB ist wirksam, den haben ja drei unterschrieben, aber die Frage ist, ob man so verfahren kann. vgl. auch hier: http://blog.strafrecht-online.de/2010/06/der-erste-antrag-hat-gesessen-ok-aber-was-nun/
Demnächst im OP-Saal: "Seien Sie beruhigt, unser Arzt im Praktikum operiert Sie genau nach der Beschreibung im Handbuch. Die Herztransplantation wird gelingen."
Vermutlich gilt hier (wie so oft), dass es so aus dem Wald herausschallt wie man vorher selbst hineingerufen hat.
@Herr Lehmann: Das wäre natürlich Verteidigerkunst pur, denn wenn eine Kammer nach diesem Prinzip handeln würde, hätte das die Bedeutung, dass sie quasi wie eine Marionette lenkbar wäre.
Wenn ein Richter auf Unhöflichkeit ebenfalls unhöflich reagiert, dann ist das "Verteidigerkunst"? Das verstehe ich nicht. Und insbesondere nicht, wie denn die Kammer dadurch lenkbar wäre. Geht halt jetzt alles förmlicher zu, mit zwei bockigen Juristen...
Wenn es so herausschallt, wie es hereinschallt, weiß ich doch beim Hineinschallen schon, was dann wieder herauskommt.
Außerdem lag der Beginn dieses angenehmen Spielchens vor dem ersten Hauptverhandlungstag, allein die Art der Terminierung war etwas, worauf man nicht gerade zwingend mit ausgesuchter Freundlichkeit reagieren muss.
Außerdem passt eine gewisse Förmlichkeit besser zu einem solchen Verfahren als Schleimspurenhinterlassung, wobei das natürlich mit bestimmten Personen nichts zu tun hat sondern nur eine ganz allgemeine Floskel ist.
Das ganze wirkt ganz unprofessionell. Aus einen sachlich richtigen Einwand schaffen es sie Beteiligten eine vergiftete Atmosphäre zu schaffen. Das mag das Ego des Verteidigers oder Vorsitzenden kurzfristig aufwerten, ob es dem Angeklagten oder dem Gericht nutzt, ist fraglich. Die sofortige agressive Antwort (Vorwurf der Unhöflichkeit) auf eine Provokation (demonstratives Verschweigen des Namens) mag oft Sinn machen, ist es aber nicht immer. Dem Staatsanwalt ist der lachende Dritte, wenn sich Gericht und Verteidiger im Nebenschauplatz bekriegen.
Ich weiß schon gern den Namen des Richters, mit dem ich zu tun habe. Grundsätzlich. Und wenn ich eine Vorgehensweise als unhöflich empfinde, dann sage ich das auch und rede nicht um den heißen Brei herum.
So war es immer und so wird es bleiben.
Ob das dem Gericht nutzt, ist mir völlig egal. Dem Angeklagten nutzt es immer, wenn sein Verteidiger sich nicht hinter irgendeinem Wortschwall versteckt sondern hin und wieder deutlich sagt, was er denkt.
@ Limited
Alles schon da gewesen, war zwar keine Herztransplantation, für den Patienten aber ähnlich delikat:
http://www.beschneidung-und-recht.de/2007102817/nachrichten/nicht-indizierte-phimose-operation-urteil-des-landgerichts-osnabrueck.html
Wie heißt es doch so schön? "Wir sehen uns bei Philippi..." Wozu benötigt man den Namen eines Richters, außer für Befangenheitsanträge und Dienstaufsichtsbeschwerden?
Kommentar veröffentlichen