04 März 2012

Schätzung im Steuerstrafverfahren - ein Auswuchs richterlicher Faulheit?

Die Antwort ist (leider) oft: Ja!

Wir kennen das natürlich alle, die schon mal im Steuerstrafrecht unterwegs waren, insbesondere bei den Amtsgerichten. Dort sind es oft ältere, erfahrene Haudegen, die vom Richtertisch das Gefühl vermitteln wollen, im Steuerstrafrecht mache ihnen niemand etwas vor.

Dann wird die Anklage verlesen, im nächsten Schritt kommt der Mitarbeiter des Finanzamtes und liest die Steuerschätzung vor, die sich schon aus der Akte ergibt, dann wird die Beweisaufnahme geschlossen, der Angeklagte je nach Lust und Laune milde oder nicht so milde verurteilt und in das Urteil wird dann das hineinkopiert, was schon in die Anklage hineinkopiert wurde, nämlich die ursprüngliche Schätzung des Finanzamtes bzw. der Fahndung.

Also -leider in der Regel- kein überragendes Wissen dieser Richter sondern ausgemachte Faulheit. Ausnahmen mögen vielleicht die Regel bestätigen.

Was diese faulen Exemplare hoffentlich nur nicht wissen, sonst wäre es vielleicht ganz etwas Schlimmes, was sie tun, ist, dass seit Jahren der Bundesgerichtshof gebetsmühlenartig immer wieder betont, dass diese Art der Vorgehensweise unzulässig ist.

So nur als Beispiel BGH 5 StR 440/00:

Den dargelegten Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Angefügt an den Einleitungssatz: "Die Bestimmung der ausgefallenen Abgaben stützt sich auf folgende Berechnungen" hat das Landgericht die Berechnungsdarstellungen der von den nicht geständigen Angeklagten hinterzogenen Eingangsabgaben aus der Anklageschrift und Berichten der Zollfahndung in Ablichtung in das Urteil eingefügt. Für das Revisionsgericht ist hierbei nicht nachprüfbar, ob der Tatrichter von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist und den jeweiligen Schuldumfang eigenverantwortlich ermittelt hat. Insbesondere ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls wie das Landgericht die der Abgabenberechnung zugrunde liegenden konkreten Zigarettenmengen selbst ermittelt hat und ob bzw. auf weicher Grundlage es die Schätzung des für die Höhe der Eingangsabgaben maßgeblichen Zollwertes der Zigaretten vorgenommen hat. Die Art der Darstellung im Urteil legt die unzureichende pauschale Übernahme der Feststellungen der Ermittlungsbehörden ohne eigene richterliche Würdigung nahe.
Jeder, der mit einem Steuerstrafverfahren überzogen wird, sollte sich kompetent beraten lassen, denn dass eine Schätzung, die dann letztlich kritiklos von Gerichten übernommen wurde,  zu Gunsten des Angeklagten oder auch nur realitätsnah ausgefallen ist, habe ich doch eher selten erlebt.



DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung

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