14 November 2008

OLG Naumburg - Rechtsbeugung oder nicht?

Berichtet wurde bereits darüber, dass ein Senat des Oberlandesgerichts Naumburg die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wegen der Nichtzulassung der Anklage gegen drei Richter des Oberlandesgerichts Naumburg wegen des Verdachts der Rechtsbeugung zurückgewiesen hat.

Jetzt liegt der Text der Entscheidung vor. Zunächst darf ich mit innerer Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass, wie von mir prognostiziert, in diesem Beschluss kein Wort davon zu lesen ist, dasss die drei Kollegen der Richter die Aussage verweigert haben, sondern natürlich betont wird, dass sie ihr Schweigerecht in Anspruch genommen haben.

Überrascht bin ich, dass es wohl doch weitere Beweismittel gibt, nämlich Vermerke, die von den Verdächtigen unterzeichnet wurden, wobei der jetzt entscheidende Senat wohl davon ausgeht, dass auch daraus keine endgültigen Schlüsse auf die mögliche Schuld des einzelnen verdächtigen Richters gezogen werden können.

Ob das so richtig und hinnehmbar ist oder ob jetzt doch der schale Geschmack der Ausnutzung des Krähenprinzips bestehen bleibt, mag an anderer Stelle entschieden werden. Ich habe so meine Zweifel, ob nicht die jetzt veröffentlichte Entscheidung ein ungesundes Schiff in einem ungesunden Fahrwasser sein könnte.

Damit ich nicht wieder gerne falsch verstanden werde: Allein das gute Recht des Schweigens und eine nur daraus resultierende Ablehnung der Anklageerhebnung ist völlig in Ordnung, die Würdigung der weiteren Beweismittel, die mir bisher nicht bekannt waren, lassen bei mir aber dann doch Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung aufkommen - und nicht nur bei mir! Hier ein Auswahl kontroverser Gedanken.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wegen Rechtsbeugung hat das Stuttgarter Landgericht am Freitag einen früheren Vormundschaftsrichter zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafkammer sieht es als erwiesen an, dass der 45-Jährige als Amtsrichter Maßnahmen wie Bauchgurte oder Bettgitter für Pflegeheimbewohner genehmigte, ohne die Betroffenen anzuhören. In mehreren Fällen erteilte er Genehmigungen für bereits gestorbene Patienten. Diesen Artikel weiter lesen

Anonym hat gesagt…

Das rechtsstaatserodierende Bekenntnis dieses Strafsenats liegt nicht darin, den Angeklagten das Schweigerecht zuzubilligen, sondern für die Straffreiheit des Gehilfen, denn das waren alle drei mindestens, ein Urteil eines Reichsgerichts heranzuziehen, dass einen signierenden Richter eben nicht zu einem Gehilfen der Rechtsbeugung erklärt hatte.
Dabei "übersieht" der Strafsenat, dass jeder Beamter seine Remonstrattionspflicht wahrzunehmen hat, und auch mittelbar an keiner Straftat beteiligt sein kann. So zumindest haben es sich die Eltern des Grundgesetzes vorgestellt, als sie dem Kadavergehorsam der Nazielite einen Riegel vorgeschoben haben. Immerhin ruft dieser Strafsenat deutlich in Erinnerung, warum in diesem Land kein Nazijurist für seine Untaten je zur Rechenschaft gezogen wurde.
Als Anständiger kann man nur fordern, dass das Oberlandesgericht Naumburg aufgelöst wird, denn wie soll dieses Gericht jemals wieder den Respekt des Rechts erlangen?

Anonym hat gesagt…

Ob ein bei der Abstimmung unterlegener Richter vorher mit den Kollegen diskutiert (und insofern "remonstriert") hat, ist doch gerade Gegenstand des Beratungsgeheimnisses und deshalb im Nachhinein nicht mehr feststellbar.

Anonym hat gesagt…

@n5n1
mit den "Kollegen" diskutieren und seine Remonstrationspflicht (jetzt schreibe ich es richtig) ausüben sind m.E. zwei verschiedene Dinge.
Die Beihilfehandlung entsteht dadurch, dass der Beschluss durch die Unterschrift in Rechtskraft erwächst. Würde einer der Täter sich geweigert haben, an der nach dem StGB als Verbrechen qualifizierten Tat mit seiner Unterschrift mitzuwirken, also Beihilfe zum Taterfolg zu leisten, wäre es beim -nicht straflosen Versuch- von zwei der Verdächtigen geblieben.

Anonym hat gesagt…

Nach der ZPO hatte der angeklagte 14. Senat gemäß § 620 d Satz 2 ZPO durch Beschluss zu entscheiden.
Die Mehrheitsregeln gelten nach § 196 Abs. 1 GVG tatsächlich auch nur dann, wenn das Gericht entscheidet. Jetzt haben die Angeschuldigten aber einen Vermerk geschrieben, der von allen Richtern unterzeichnet war. Ein Vermerk ist kein Beschluss. Das anerkennt auch der Strafsenat.
Gilt das GVG für den Vermerk nicht, gilt das Mehrheitsprinzip auch nicht. Gilt das Mehrheitsprinzip nicht, hätte man vielleicht sagen können, anhand des Vermerks lässt sich erkennen, dass die Entscheidung einstimmig ergangen ist. Mit anderen Worten der Vermerk könnte ein Beweismittel darstellen.

Was macht der Strafsenat ?
Der Senat erklärt den Vermerk zu einem "unüblichen Bestandteil" der Entscheidung und unterwirft ihn damit der Mehrheitsregel des GVG. Damit ist der Vermerk als Beweismittel unbrauchbar.
Eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des Senats führt in das Minenfeld der juristischen Methodenlehre. Seit Essers Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung aus dem Jahre 1970 weiß man einigermaßen sicher, dass juristische Ergebnisse davon abhängen, welche Fragen gestellt werden.

Lässt sich guten Gewissens sagen, dass ein Vermerk ein "unüblicher Bestandteil" einer
Entscheidung sein kann, wenn das Gesetz ausdrücklich bestimmt, das Gericht entscheidet durch Beschluss bzw. durch begründeten Beschluss ?

Die Antwort ist eindeutig. Das ist nicht unüblich, sondern dem klaren Wortlaut nach gesetzeswidrig. Einem engen positivistischen Rechtsverständnis wäre ein derartiger Rückschluss offenkundig verschlossen. Wie kann ein Strafsenat so etwas übersehen ?
Nachvollziehbar wäre die Ausführung, wenn es sich um eine "übliche Ergänzung" gehandelt hätte. Umgangsformen schleifen sich auch im Justizalltag ab, da wird schnell mal etwas als Verfügung oder Vermerk geschrieben, was eigentlich in Beschlussform zu schreiben wäre. Solche "praktischen Übungen" könnten in der Tat dazu führen, dass ein Vermerk im Sinne des Gesetzes einem Beschluss gleichsteht. Dem Juristen ist das von dem Schulbeispiel der Schokoladenverordnung geläufig, die nur den Weihnachtsmann erfasst, aber den Osterhasen vergessen hat, weshalb Weihnachtsmänner im Sinne der Schokoladenverordnung auch Osterhasen sein können, wenn sie ebenfalls aus Schokolade hergestellt werden. Der analoge Gesichtspunkt wäre hier die „Rechtausführung“ die der Vermerk enthalten soll.
Deshalb wäre es in der Tat denkbar, dass der Senat sagen könnte, ein Vermerk der eine Rechtsausführung enthält, steht einem Beschluss im Sinne des § 620 d ZPO gleich.
Das könnte wohl in der Tat eine zulässige Gesetzesauslegung sein.
Allein, der Senat stellt diese Frage nicht. Das steht fest, denn er spricht ausdrücklich von "unüblich". Wenn diese Vorgehensweise "unüblich" ist, gibt es keine praktische Übung. Gibt es keine praktische Übung, wie kann man dann einen Vermerk entgegen dem Gesetz einem Beschluss gleichstellen ? Säßen in Naumburg geschickte Juristen, hätten sie diesen handwerklichen Mangel sofort erkannt und durch den Hinweis auf § 620d ZPO und die Verwendung des Terminus „üblich“ anstatt „unüblich“ verborgen. So erzeugt die Begründung Unbehagen und Misstrauen, das deshalb besonders groß ist, weil das Argument punktgenau gesetzt worden ist und darüber entscheidet, ob ein Beweismittel zur Verfügung steht oder nicht. Denn dadurch sieht sich der Senat in der Lage zu erörtern, ob sich dem Vermerk persönliche oder nur dienstliche Äußerungen entnehmen lassen. Da der Vermerk nicht wie in einer Verwaltungsbehörde in Ich-Form geschrieben ist, sondern nach Auskunft des Senats keine persönlichen Wendungen enthält, mithin justiztypisch in der dritten Person verfasst sei, steht und fällt damit das Ergebnis der Entscheidung.

Um nicht falsch verstanden zu werden, ich will hier nicht einer bestimmten Geschicklichkeit das Wort reden, mir geht es um den Unterschied zwischen „fruchtbarem“ und „furchtbarem“ juristischen Handwerk.

Man muss das einmal in die Sphäre eines Strafverteidigers übertragen, um zu verstehen, was hier gemacht wurde.
Kein Strafverteidiger ist befugt, aktiv an einer Verdunkelung oder auch nur Verzerrung des Sachverhalts mitzuwirken. Er darf also weder ein Beweismittel verfälschen noch ein verfälschtes verwenden. Das ist eine Wertungsfrage die durch den Straftatbestand des § 258 StGB (Strafvereitelung) vorgegeben ist. Anders als der Strafverteidiger verfügt das Gericht aber über die Interpretationsmacht der Begriffe die es verwendet. Es verfälscht kein Beweismittel, sondern vernichtet es per definitionem, indem es eine ordnungswidrige Sachbehandlung legalisiert.
Bei der Anwendung von Normen geht es immer um Wertungen.
Mit anderen Worten, das Vorverständnis, das die Methodik des Vorgehens bestimmt, erkennt nicht oder will nicht erkennen, dass es sich mit einer grundsätzlichen Wertung des geltenden Rechts in Widerspruch setzt.

Erinnert sich noch jemand an das Buch von Adalbert Rückerl, dem ehemaligen Leitenden Oberstaatsanwalt der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen, NS-Verbrechen vor Gericht ?

Ich zitiere (S. 306 ):

„Auf ein bei den Ermittlungen gegen die bei den Sondergerichten und beim Volksgerichtshof tätig gewesen Richter auftretendes Problem sei hingewiesen: „Jeder an dieser Abstimmung beteiligte Richter, kann nur dann…verurteilt werden, wenn ihm nachzuweisen ist, dass er damals durch seine Stimmabgabe zum Nachteil des Angeklagten zum Zustandekommen des ungerechten Urteils beigetragen hatte. Ein solcher Nachweis dürfte in der Praxis im Hinblick auf den auch hier nicht zu umgehenden Grundsatz „in dubio pro reo“ in vielen Fällen wohl nur noch durch ein Geständnis zu führen sein“.

Geständnisse gab es damals kaum, infolgedessen sind die meisten von der Staatsanwaltschaft Berlin geführten Ermittlungsverfahren gegen Richter des Volksgerichtshofs eingestellt worden.

Sofern es noch eine leise Ahnung von deutscher Rechtsgeschichte gibt, muss es bei dieser Entscheidung aufschreien,
denn der von allen Richtern unterschriebene „Vermerk“ war
möglicherweise das Geständnis !

 

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