03 Februar 2008

Der labernde Neffe

Meiner Mandantin ist angeklagt wegen Beihilfe zum Betrug, der Schaden ist heftig. Die bisherige Beweisaufnahme lief prachtvoll, das Bild über meine schweigende Mandantin wurde immer klarer. Das Dummchen, das in den tatsächlichen Betrüger bis über beide Ohren verliebt war und blind alles unterschrieben hat, was der ihr vorgelegt hat, nur weil er immer betonte, alles sei gut. Die klassische unwissende Strohfrau.

Der Freispruch war greifbar.

Dann kam ihr Neffe als Zeuge, den man auch darüber belehrte, dass er wegen seines Verwandschaftsverhältnisses schweigen dürfe. Das wollte er natürlich nicht. Er brannte darauf, seinem Herkunftskulturkreis entsprechend, die Ehre seiner Tante zu retten. Er versuchte klar zu stellen, dass seine Tante natürlich den Oberdurchblick hatte, dass sie quasi alle Geschäfte gemanagt hat und natürlich nicht doof sondern eher einsteinorientiert ist.

Es bedurfte dann schon einiger leitender Nachfragen an den Zeugen, um den Freispruch dann doch nicht zu gefährden.

"Wie oft war denn Ihre Tante in dem Laden?"
"Äh, wie meinen Sie das?"
"War sie 10 oder zwölf Stunden im Laden, während der gesamten Öffnungszeit oder nur ein paar Stunden am Tag?"
"Ouh nee, höchstens ein Mal in der Woche ein paar Minuten!"
Diese Zitterphase hätte der Zeuge uns ersparen können, wenn er das alte aber immer wieder treffende Sprichwort beachtet hätte:

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Oder:

Besser eine dumme Tante als eine schlaue Knastrologin.

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