19 November 2008

Gedanken zur Rechtsbeugung beim OLG Naumburg

Im Rahmen der Berichte zur Frage des Verdachtes der Rechtsbeugungen beim Oberlandesgericht Naumburg in einem Bundesland, in dem man Staatsanwälte unbestraft beleidigen und der Kumpanei mit Verteidigern bezichtigen darf, bleibt der schale Beigeschmack, dass es dort einige wenige schwarze Schafe gibt, die es schaffen, dass man vor der Justiz in Sachsen-Anhalt alles verliert, insbesondere jeden Respekt.

Dazu ein Kommentar einer dritten Person zu einem der obigen Berichte:

Nach der ZPO hatte der angeklagte 14. Senat gemäß § 620 d Satz 2 ZPO durch Beschluss zu entscheiden.
Die Mehrheitsregeln gelten nach § 196 Abs. 1 GVG tatsächlich auch nur dann, wenn das Gericht entscheidet. Jetzt haben die Angeschuldigten aber einen Vermerk geschrieben, der von allen Richtern unterzeichnet war. Ein Vermerk ist kein Beschluss. Das anerkennt auch der Strafsenat.
Gilt das GVG für den Vermerk nicht, gilt das Mehrheitsprinzip auch nicht. Gilt das Mehrheitsprinzip nicht, hätte man vielleicht sagen können, anhand des Vermerks lässt sich erkennen, dass die Entscheidung einstimmig ergangen ist. Mit anderen Worten, der Vermerk könnte ein Beweismittel darstellen.

Was macht der Strafsenat ?
Der Senat erklärt den Vermerk zu einem "unüblichen Bestandteil" der Entscheidung und unterwirft ihn damit der Mehrheitsregel des GVG. Damit ist der Vermerk als Beweismittel unbrauchbar.
Eine Auseinandersetzung mit der Auffassung des Senats führt in das Minenfeld der juristischen Methodenlehre. Seit Essers Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung aus dem Jahre 1970 weiß man einigermaßen sicher, dass juristische Ergebnisse davon abhängen, welche Fragen gestellt werden.

Lässt sich guten Gewissens sagen, dass ein Vermerk ein "unüblicher Bestandteil" einer Entscheidung sein kann, wenn das Gesetz ausdrücklich bestimmt, das Gericht entscheidet durch Beschluss bzw. durch begründeten Beschluss ?

Die Antwort ist eindeutig. Das ist nicht unüblich, sondern dem klaren Wortlaut nach gesetzeswidrig. Einem engen positivistischen Rechtsverständnis wäre ein derartiger Rückschluss offenkundig verschlossen. Wie kann ein Strafsenat so etwas übersehen ?
Nachvollziehbar wäre die Ausführung, wenn es sich um eine "übliche Ergänzung" gehandelt hätte. Umgangsformen schleifen sich auch im Justizalltag ab, da wird schnell mal etwas als Verfügung oder Vermerk geschrieben, was eigentlich in Beschlussform zu schreiben wäre. Solche "praktischen Übungen" könnten in der Tat dazu führen, dass ein Vermerk im Sinne des Gesetzes einem Beschluss gleichsteht. Dem Juristen ist das von dem Schulbeispiel der Schokoladenverordnung geläufig, die nur den Weihnachtsmann erfasst, aber den Osterhasen vergessen hat, weshalb Weihnachtsmänner im Sinne der Schokoladenverordnung auch Osterhasen sein können, wenn sie ebenfalls aus Schokolade hergestellt werden. Der analoge Gesichtspunkt wäre hier die „Rechtausführung“, die der Vermerk enthalten soll.
Deshalb wäre es in der Tat denkbar, dass der Senat sagen könnte, ein Vermerk, der eine Rechtsausführung enthält, steht einem Beschluss im Sinne des § 620 d ZPO gleich.
Das könnte wohl in der Tat eine zulässige Gesetzesauslegung sein.
Allein, der Senat stellt diese Frage nicht. Das steht fest, denn er spricht ausdrücklich von "unüblich". Wenn diese Vorgehensweise "unüblich" ist, gibt es keine praktische Übung. Gibt es keine praktische Übung, wie kann man dann einen Vermerk entgegen dem Gesetz einem Beschluss gleichstellen ? Säßen in Naumburg geschickte Juristen, hätten sie diesen handwerklichen Mangel sofort erkannt und durch den Hinweis auf § 620d ZPO und die Verwendung des Terminus „üblich“ anstatt „unüblich“ verborgen. So erzeugt die Begründung Unbehagen und Misstrauen, das deshalb besonders groß ist, weil das Argument punktgenau gesetzt worden ist und darüber entscheidet, ob ein Beweismittel zur Verfügung steht oder nicht. Denn dadurch sieht sich der Senat in der Lage, zu erörtern, ob sich dem Vermerk persönliche oder nur dienstliche Äußerungen entnehmen lassen. Da der Vermerk nicht wie in einer Verwaltungsbehörde in Ich-Form geschrieben ist, sondern nach Auskunft des Senats keine persönlichen Wendungen enthält, mithin justiztypisch in der dritten Person verfasst sei, steht und fällt damit das Ergebnis der Entscheidung.

Um nicht falsch verstanden zu werden, ich will hier nicht einer bestimmten Geschicklichkeit das Wort reden, mir geht es um den Unterschied zwischen „fruchtbarem“ und „furchtbarem“ juristischen Handwerk.

Man muss das einmal in die Sphäre eines Strafverteidigers übertragen, um zu verstehen, was hier gemacht wurde.
Kein Strafverteidiger ist befugt, aktiv an einer Verdunkelung oder auch nur Verzerrung des Sachverhalts mitzuwirken. Er darf also weder ein Beweismittel verfälschen noch ein verfälschtes verwenden. Das ist eine Wertungsfrage, die durch den Straftatbestand des § 258 StGB (Strafvereitelung) vorgegeben ist. Anders als der Strafverteidiger verfügt das Gericht aber über die Interpretationsmacht der Begriffe, die es verwendet. Es verfälscht kein Beweismittel, sondern vernichtet es per definitionem, indem es eine ordnungswidrige Sachbehandlung legalisiert.
Bei der Anwendung von Normen geht es immer um Wertungen.
Mit anderen Worten, das Vorverständnis, das die Methodik des Vorgehens bestimmt, erkennt nicht oder will nicht erkennen, dass es sich mit einer grundsätzlichen Wertung des geltenden Rechts in Widerspruch setzt.

Erinnert sich noch jemand an das Buch von Adalbert Rückerl, dem ehemaligen Leitenden Oberstaatsanwalt der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen, NS-Verbrechen vor Gericht ?

Ich zitiere (S. 306 ):

„Auf ein bei den Ermittlungen gegen die bei den Sondergerichten und beim Volksgerichtshof tätig gewesen Richter auftretendes Problem sei hingewiesen: „Jeder an dieser Abstimmung beteiligte Richter, kann nur dann…verurteilt werden, wenn ihm nachzuweisen ist, dass er damals durch seine Stimmabgabe zum Nachteil des Angeklagten zum Zustandekommen des ungerechten Urteils beigetragen hatte. Ein solcher Nachweis dürfte in der Praxis im Hinblick auf den auch hier nicht zu umgehenden Grundsatz „in dubio pro reo“ in vielen Fällen wohl nur noch durch ein Geständnis zu führen sein“.

Geständnisse gab es damals kaum, infolgedessen sind die meisten von der Staatsanwaltschaft Berlin geführten Ermittlungsverfahren gegen Richter des Volksgerichtshofs eingestellt worden.

Sofern es noch eine leise Ahnung von deutscher Rechtsgeschichte gibt, muss es bei dieser Entscheidung aufschreien,
denn der von allen Richtern unterschriebene „Vermerk“ war
möglicherweise das Geständnis !

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