Wieviel Respekt verdient eigentlich ein Deutscher Strafrichter, der dadurch dokumentiert wird, dass man immer aufsteht, wenn er den Gerichtssaal betritt? Es gibt Kammervorsitzende, die genießen diese Prozedur, warten selbst stehend, bis auch der letzte Schöffe seinen Stuhl gefunden hat, schauen dann nochmals erhobenen Hauptes in die Runde, um dann ernst aber gefasst zu gestatten: Nehmen Sie Platz. Und das jedes Mal, wenn die Kammer den Saal betritt, auch wenn das alle fünf Minuten geschieht.
Dann gibt es die liberalen Vorsitzenden, denen es genügt, wenn zu Beginn des Verhandlungstages dieser formalistische Firlefanz veranstaltet wird.
Dann noch die ewig gestrigen Hardcore-Selbstüberschätzer, die meinen, ein Angeklagter müsse sogar bei der Verkündung seiner Personalien aufstehen.
Im Vertrauen teilte mir heute ein Strafrichter mit: Die Kollegen wollen gar nicht wissen, dass sie eine staatliche Dienstleistung erbringen und eigentlich jedem Angeklagten ein wenig dankbar sein müssten, denn was gäbe es ohne Angeklagte: keine Strafrichter mehr!
Ich halte das Aufstehen zu Beginn eines Verhandlungstages für eine hinzunehmende Selbstverständlichkeit, alles was darüber hinausgeht, passt weder in die Zeit noch in das System. Ein wenig Lockerheit tut jedem Strafprozess sicher sehr gut, das sollten vielleicht auch die staatlichen Dienstleister erkennen, die ohne Angeklagte keinen Job mehr hätten.
3 Kommentare:
... und wer steht auf, wenn ein Anwalt den Saal betritt? Richtig, niemand! Aber wir Anwälte sind ja auch nur „unabhängiges" (und nicht etwa „gleichberechtigtes", wie auch viele Kollegen fälschlich denken) „Organ der Rechtspflege", s. § 1 BRAO.
In Ziff. 124 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren ist das geregelt. Danach muss man nur bei Eintritt des Gerichts zu Beginn der Sitzung aufstehen, also nicht nach jeder Verhandlungspause. Jedem Prozessbeteiligten steht es danach frei, ob er Erklärungen sitzend oder stehend abgibt.
Der Richter kann sich übrigens keine eigenen Regeln zimmern, weil die Sitzungspolizei ein Amtsgeschäft und keine Rechtsprechung ist; insoweit gilt die RiStBV auch für Richter (vgl. Einführung).
Was macht man denn nach "Etikette", wenn der Richter bereits bei Beginn der Verhandlung am Platze sitzt, weil er davor schon 'ne Verhandlung hatte???
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