13 November 2005

Ehrenpreis an Strafverteidiger

Der Berlinner Strafverteidiger Carsten Hoenig ( der mit der Wanne ) berichtet in seinem LawBlog:

pro reo – der Ehrenpreis der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen AnwaltVerein – wurde heute in Berlin dem Iserlohner Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Dr. jur. Frank Nobis verliehen. Gegen Dr. Nobis wurde am 20.5.2003 durch das Amtsgericht – Schöffengericht – Hagen, dessen Vorsitzender des Richter am Amtsgericht Kleeschulte war (und ist!), 1 Tag Ordnungshaft festgesetzt. Der Richter lies den Strafverteidiger im Gerichtssaal verhaften und in die JVA Hagen abführen.

Wegen der Begründung einer Haftentscheidung durch das Gericht:

Sinngemäß erklärte der Richter: Er habe den Angeklagten vor der Hauptverhandlung auf die Beschwerde des Verteidigers hin sicherlich entlassen können, habe dies aber nicht getan, weil ihm die Diktion der Haftbeschwerde, mit der der Verteidiger dem Gericht offensichtlich vorschreiben wollte, was das Gericht zu tun habe, missfallen habe. Deshalb habe er bereits eingeleitete, zur Entlassung des Angeklagten dienende Ermittlungen nach Vorlage der Haftbeschwerde wieder abgebrochen und den Angeklagten weiter in Haft gelassen.
kam es im weiteren Verlauf der Verhandlung binnen Minutenfrist zum Eklat.
Dr. N. bittet den Richter [...] im ruhigen Ton, die soeben getätigte Äußerung gem. zu protokollieren. Der Vorsitzende Richter lehnt ab: “Hier werden jetzt keine Anträge mehr gestellt.” Dr. N. bittet daraufhin, dann doch zumindest zu protokollieren, dass der Verteidigung nicht die Möglichkeit gegeben werde, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dr. N. wiederholt letztere Bitte unter Hinweis darauf, dass Anträge der Verteidigung zu den wesentlichen Förmlichkeiten gem. § 273 StPO gehören.

Das ist offensichtlich zuviel des “Rechtsgespräches”: Wild mit den Armen fuchtelnd fordert der Richter den Verteidiger lautstark auf, unverzüglich den Sitzungssaal zu verlassen. Dr. N fragt höflich an, ob dies eine sitzungspolizeiliche Maßnahme sei, und weist darauf hin, dass „derartige Maßnahmen” gem. §§ 177,178 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) gegen den Verteidiger unzulässig seien. Derart ruhige, auf dem Strafverfahrensrecht ruhende Sachlichkeit ist für den Richter offensichtlich zuviel des Guten: Er unterbricht die Hauptverhandlung und weist gleichzeitig die anwesenden Gerichtswachtmeister an, den Verteidiger Dr. N zu durchsuchen, ihm sein Handy abzunehmen, ihn zu verhaften und ihn bis zu seiner späteren Vorführung in einer Zelle auf der Gerichtswachtmeisterei zu verwahren.


Nach ca. 15 Minuten “Inhaftierung” wird der – so das „spätere Hauptverhandlungsprotokoll – “Störer Dr. N” vorgeführt. [...] Ein Tag Ordnungshaft § 178 Abs.1 GVG wegen gröblicher Ungebühr! “Herr Wachtmeister, führen sie den Störer ab.

Rund drei Stunden später ist der Spuk vorbei, nachdem das OLG Hamm eiligst zunächst die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses vorläufig aussetzt, um wenig später im Beschluss vom 6.6.2003 in aller Deutlichkeit die Unzulässigkeit sowohl der Entfernung aus dem Sitzungssaal als auch der Anordnung von Ordnungshaft festzustellen.

[...]
Entsprechend ist in der deutschen Rechtsgeschichte noch nie (!), noch nicht einmal während der Herrschaft des Nationalsozialismus, ein Verteidiger durch einen Gerichtsvorsitzenden im Gerichtssaal verhaftet worden.
Quelle: StrFo 8/2005, Ordnungshaft gegen den Verteidiger – Eine Justizposse aus Hagen; zum Beschluss des OLG Hamm – 2 Ws 122/03 -, von RA Dr. Frank Nobis

In seiner Laudatio während der Preisverleihung trägt der Berliner Rechtsanwalt Dr. Stefan König, Vorstandsvorsitzender der Vereinigung BerlinerStrafverteidiger e. V.unter anderem vor:

Ich sehe Ihre preiswürdige Leistung [...] darin, daß Sie uns durch Ihr unerschrockenes Auftreten vor einem offenbar aus dem Ruder des Rechts gelaufenden Gericht daran erinnert haben, wo das Herz der Strafverteidigung schlägt:

Nämlich im Eintreten für den Angeklagten im Hier und Jetzt der alltäglichen, präsenten Konfrontation der Verfahrensbeteiligten.

Sowohl die von Dr. Nobis reklamierte Haftentscheidung als auch die ordnungsrechtlichen Maßnahmen des Gerichts, nein: des Richters!, stellen einen offenen Rechtsbruch dar. Die Verhaftung und die Verhängung der Ordnungshaft gegen ein Organ der Rechtspflege wurde daher auch von dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft zutreffend als unzulässig bezeichnet. Der Richter Kleeschulte konnte, sollte und mußte also wissen, was er da tat.
Wie Herr Dr. Nobis in seiner Dankesrede mitteilte wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Richter, das wegen Rechtsbeugung (und Freiheitsberaubung?) mangels nachweisbarem Vorsatz eingestellt, die Dienstaufsichtsbeschwerden als unbegründet zurückgewiesen. Richter Kleeschulte sei nach wie vor noch (Straf-)Richter am Amtsgericht Hagen.
An dieser Stelle auch von mir, wenn es einem kleinen Strafverteidiger denn zusteht, einen herzlichen Glückwunsch zu diesem Preis und meine Hochachtung für sein Verteidigerverhalten an Herrn Kollegen Dr. Nobis.



In Hoenigs Blog dann die treffende Kommentierung einer Leserin:


Wir brauchen viel mehr von Verteidigern, Anwälte, Juristen, die das Grundgesetz auch im Tagesgeschäft im Auge haben. Menschen mit Rückgrat, Leidenschaft und aufrechtem Gang.

Dem kann ich natürlich nur zustimmen, sehr wohl wissend, dass genau das einem zwar immer schwer gemacht wird, aber: Wir müssen da durch!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Aber wie es um unseren sogenannten Rechtsstaat bestellt ist,sieht man daran,das das Fehlverhalten des Richters in keinster Weise geahndet wurde.
Jeder andere hätte eine saftige Strafe für ähnliches Verhalten bekommen.

Ein Rechtsstaatgebeutelter

 

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