11 Juli 2006

OLG Braunschweig mutet Angeklagtem Pflichtverteidigerin zu, die von seiner Schuld überzeugt ist

Zum Dauerbrenner der hochbrisanten Entscheidungen entwicklet sich ein Verfahren wegen des Vorwurfes der Steuerverkürzung vor einer Berufungskammer des Landgerichts Braunschweig. Vor neuerlichem Beginn der Berufungshauptverhandlung teilte die bisherige Pflichtverteidigerin dem Mandanten, der in erster Instanz freigesprochen worden war, mit, dass sie nach Akteneinsicht von seiner Schuld überzeugt sei und für einen Antrag auf Freispruch nicht zur Verfügung stehe. Wie bereits berichtet, lehnte die Berufungskammer (siehe hier) die Entpflichtung der Kollegin ab. Das Oberlandesgericht haut nun in dieselbe Kerbe, verwirft die Beschwerde und teilt mit, dass ein Angeklagter keinen Anspruch auf Beiordnung eines Verteidigers habe, der sich unkritisch den Wunschvorstellungen des Mandanten unterordnet.

Die Frage, ob ein in erster Instanz freigesprochener Angeklagte aber möglicherweise einen Anspruch darauf hat, von einem Verteidiger vertreten zu werden, der vor Beginn der Hauptverhandlung nicht von seiner Schuld überzeugt ist, beantwortet der Senat nicht.

Konsequenz dieser Sprechung: Äußert ein Richter vor Beginn der Hauptverhandlung, dass er von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist, wird der Befangenheitsantrag sofort durchgreifen. Äußert aber der Pflichtverteidiger vor Beginn der Hauptverhandlung, dass er von der Schuld überzeugt ist, wird man ihn nicht los!

Ich wünsche jedem Richter, der diese Gedanken hat, dass er irgendwann von irgendwem zu Unrecht einer Straftat bezichtigt wird, und dass er dann nur Verteidiger findet, die ihm sagen, dass sie von seiner Schuld überzeugt sind.

Wo leben wir eigentlich. Ich hoffe, es wird auch zukünftig Kollegen geben, die Verteidigung so leben, wie ich hier beschrieben habe, worauf auch der Kollege Eickelberg trefflich hingewiesen hat.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das schlimmste ist doch eigentlich, dass die Pflichtverteidigerin ihre Ansicht gegenüber dem Mandanten und dem Gericht offenbart hat. Es wird während der beruflichen Laufbahn wohl immer wieder Mandanten geben, bei denen die Unschuld nach Aktenstudium mehr oder weniger ausgeschlossen ist. Gerade in diesem Fall sollte man dann doch den Mund halten und wenigstens aus der eigenen Perspektive das Günstigste für den Mandanten im Rahmen der Verteidigung rausholen. Letztlich muss man ja erst im Rahmen des Plädoyers sich für einen Antrg entscheiden und gerade nicht (wie vielleicht im anglo-amerikanischen Raum) am Anfang der Sitzung.
Zusammen mit der Durchsuchung beim ersten Pflichtverteidiger kröhnt dies den Rechtsstaat aber erst wirklich.

 

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