16 Januar 2006

Verteidigergebühren bei Rechtsmittelrücknahme

Unter anderem das Landgericht Göttingen meint in seinem Beschluss v. 20. 12. 2005, 2 KLs 4/05, die Gebühr der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 VV RVG entstehe im Fall der Rücknahme der Revision nur dann, wenn der Verteidiger sich inhaltlich mit dem Verfahren beschäftigt und zumindest Anstrengungen unternommen hat, es in sachlicher Hinsicht zu fördern. Dazu sei zumindest erforderlich, dass sich der Verteidiger mit seinem Mandanten über die Erfolgsaussichten der Revision ernsthaft beraten hat.
Zur Begründung wird u.a ausgeführt:

Zwar legt die Anmerkung Absatz 1 Nr. 3 eine großzügige Zulassung der Zusatzgebühr nahe, indem als Voraussetzung ihrer Entstehung lediglich die Rücknahme der Revision genannt wird. Einschränkend weist der Gesetzgeber durch die Erläuterung in Absatz 2 jedoch darauf hin, dass der Verteidiger eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit entfaltet haben müsse. Diese Einschränkung deutet darauf hin, dass der Verteidiger sich inhaltlich mit dem Verfahren beschäftigt und zumindest Anstrengungen unternommen haben muss, es in sachlicher Hinsicht zu fördern, um einen Anspruch auf die Zusatzgebühr zu erwerben. Seine Tätigkeit darf sich mithin nicht allein in der Beendigung des Verfahrens an sich - z.B. in der Erklärung, die Revision zurückzunehmen - erschöpfen. Anderenfalls hätte die Kommentierung des Absatzes 1 Nr. 3 VV RVG zur Erläuterung des Begriffes der „Mitwirkung" ausgereicht; die Anmerkung des Absatzes 2 hingegen wäre dann überflüssig.

Dieser Rechtsmeinung ist entgegenzutreten, sie argumentiert am Gesetzeswortlaut vorbei.

Im Gesetz heißt es:

Die Gebühr entsteht, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl, der Berufung oder Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten erledigt. … Die Gebühr entsteht nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist.

So weit, so gut. Unbestritten ist also, dass dem Anwalt die Gebühren bei Rechtsmittelrücknahme dann zustehen, wenn durch ihn das Verfahren in irgendeiner Weise gefördert wird. Gerade bei der Rechtsmittelrücknahme bedarf es aber keineswegs des Kunstgriffes des notwendigen Mandantengespräches, denn die das Verfahren fördernde Aktivität ist der zur Rechtsmittelrücknahme führende Weg.

Man muss sich zunächst vor Augen führen, was eigentlich Aktivitäten eines Verteidigers sind. Die erste Aktivität ist das Denken, die nächste das Entscheiden als Folge des Gedachten und danach kommt das Verfügen, ohne dass es dabei zwingend eines Mandantengespräches bedarf.

Die Rechtsmittelrücknahme ist das Ergebnis eines komplexen aktiven Vorgangs, nämlich des Nachdenkens über das Ob der Rechtsmittelrücknahme, des Entscheidens für die Rechtsmittelrücknahme und des Verfügens der Durchführung der Rechtsmittelrücknahme. Damit nicht genug. Dem schließen sich weitere Aktivitäten im Büro des Verteidigers an, nämlich das Schreiben des Verfügten, das Unterschreiben des Geschriebenen und das Verbringen oder Versenden des Unterschriebenen ans Gericht.

Dass dieser komplette Gesamtvorgang mehr als Nichts ist und eine Aktivität, die das Verfahren fördert, drängt sich auf, wenn man bedenkt: Der Anwalt, der über die Rechtsmittelrücknahme nicht nachdenkt, wird sie nicht verfügen, sie wird nicht geschehen.

Nun fragt sich abschließend, ob das Landgericht Göttingen gleichwohl richtig liegt, wenn es ausführt: Seine Tätigkeit darf sich mithin nicht allein in der Beendigung des Verfahrens an sich - z.B. in der Erklärung, die Revision zurückzunehmen - erschöpfen. Anderenfalls hätte die Kommentierung des Absatzes 1 Nr. 3 VV RVG zur Erläuterung des Begriffes der „Mitwirkung" ausgereicht; die Anmerkung des Absatzes 2 hingegen wäre dann überflüssig.

Genau dieser Schluss ist deshalb falsch, weil das Landgericht Göttingen eine sich aufdrängende Alternative übersehen hat. Nämlich die, dass der Angeklagte selbst das Rechtsmittel zurücknimmt, ohne seinen Verteidiger zu fragen. Genau bei dieser Konstellation muss der Verteidiger nichts tun, auch nicht denken, und genau dafür soll er nicht bezahlt werden, und das ist nicht nur richtig so, sondern vom Gesetzgeber auch so gemeint. Nur und genau in diesem Fall trifft Absatz 2 zu, denn genau in diesem Fall hat der Verteidiger nichts getan, auch nicht nachgedacht, was das Verfahren gefördert hat.

Jede gedankliche Befassung mit der Rücknahme, sei es nun ohne oder mit Mandantengespräch, die dann in der tatsächlichen Rücknahme endet, fällt unter die entsprechenden Gebührentatbestände, wie oben aufgezeigt.

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