27 Dezember 2007

Richterin zweifelt anwaltliche Versicherung an

Ich habe eine Jugendrichterin eines Amtsgerichtes in einer niedersächsischen Kleinstadt gebeten, einen Termin aufzuheben, wobei ich anwaltlich versichert habe, dass ich an diesem Tag bereits andere Gerichtstermine wahrzunehmen habe.

Die Jugendrichterin begehrt nun die Vorlage der Ladungen in den anderen Sachen.

Ich frage mich, was das zu bedeuten hat.

Es hat zu bedeuten, dass sie es für möglich hält, dass ich wegen einer popeligen Terminskollision eine unwahre anwaltliche Versicherung abgebe.

Ich frage mich erneut, was das zu bedeuten hat. Es könnte bedeuten, dass ich ob dieser für möglich gehaltenen Entgleisung beleidigt bin; da ich mir aber aussuche, wer mich beleidigen kann, bin ich es nicht.

Mein Mandant könnte aber die Besorgnis haben, dass eine Richterin nicht unbefangen an eine Sache herangeht, wenn sie es für möglich hält, dass der Verteidiger wegen einer solchen Nichtigkeit eine unwahre anwaltliche Versicherung abgibt.

Ob diese Besorgnis in einem Antrag mündet, wird davon abhängen, wie die Richterin darauf reagiert, dass sie die Ladungen schon deshalb nicht bekommt, weil ich insoweit in den anderen Sachen ihr gegenüber der Schweigepflicht unterliege und keine Geheimnisse preisgeben werde.

20 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wieso reagieren Sie so dünnhäutig? Die Richterin ist verpflichtet, das Verfahren so zügig wie möglich durchzuführen. Bei Terminsverlegungsanträgen, die zu einer Verfahrensverzögerung führen können (zumal im Jugendstrafrecht, wo äußerste Beschleunigung geboten ist), ist es durchaus angemessen, auch einmal Nachweise zu verlangen. Ich glaube kaum, dass Sie mit Ihrem Befangenheitsantrag etwas werden reißen können. Den einzigen Gedanken, den Sie mit Ihrem Verhalten provozieren werden, lautet etwa: Erwischt! Kopien von Ladungen können im Übrigen auch anonymisiert werden.

J. Melchior hat gesagt…

... wobei sich die Frage stellt, ob die Richterin eine anonymisierte Ladung akzeptiert.

Anonym hat gesagt…

So,so...eine "anwaltliche Versicherung"...wo steht die denn im Gesetz? Es mag im Zivilprozess (Haftungsfälle, z.B. Anwaltverschulden) Rechtsprechung geben, die derartiges akzeptiert... Ein Ritterschlag durch den Gesetzgeber ist dem gemeinen Mietmaul mit gutem Grunde versagt worden...

Das hätten manche (Winkel-)Advokaten gerne, dass eine solche Erklärung etwas "wert" ist...Antwort: Nix.

Anonym hat gesagt…

ich wundere mich immer wieder über die etwas frostigen kommentare, die hier teilweise abgegeben werden. da fragt man sich schon wer dahinter steckt. fühlt sich da etwa jemand auf die füße getreten?

ein kleiner tipp: es würde ihnen gut zu gesicht stehen, wenn sie den deckmantel der anonymität ablegen würden.

an unseren advokatenschreck: es geht hier nicht um irgendwelche gesetzlichen regelungen sondern um unkollegiales verhalten, was hier von seiten der richterin an den tag gelegt wird. ich vermag keinen plausiblen grund für dieses verhalten zu erkennen. sie haben offenbar schlechte erfahrungen mit anwälten gemacht. das ist schön für sie. aber sie können mir glauben, dass mit richtern mit sicherheit nicht seltener schlechte erfahrungen gemacht werden als mit anwälten...

Anonym hat gesagt…

Welchen Grund sollte denn ein Strafverteidiger haben, eine Jugendstrafsache durch unbegründete Terminsverlegungsanträge verzögern zu wollen? Und dem kann doch leicht entgegengewirkt werden, indem der Termin nach vorn verschoben wird. Mit dem Aufwand, den die Richterin hier treibt und prodzuiert, wäre der Termin sicher schon lange verlegt...

Werner Siebers hat gesagt…

@ advokatenschreck

Mich würde interessieren, was sie von Beruf sind, mit Strafjuristerei kann es jedenfalls nichts zu tun haben. Also schön nach Dieter Nuhr: Wer keine Ahnung hat: Fresse halten!

Mittel der Glaubhaftmachung im Strafprozess: anwaltliche Versicherung (Meyer-Goßner StPO 50. Auflage 2007, § 26 Rdn. 8 und Rdn. 13)

Werner Siebers hat gesagt…

@ anonym

Ich reagiere nicht dünnhäutig, aber ich verbitte mir, dass man mit der Nachfrage unterstellt, dass ich gegen meine Wahrheitspflicht verstoße.

Und dass ich dem Befangenheitsantrag anonymisierte Kopien der Ladungen beifügen werde, dürfe Sie in der Tat annehmen.

Aber mit Ihrem richterlichen Unverständnis haben Sie mich auf eine brillante Idee gebracht. Bei der nächsten Terminaufhebung aus "dienstlichen Gründen" in einer Haftsache werde ich die Aufhebung des Haftbefehls beantragen mit der Begründung, es kann keinen dienstlichen Grund geben, der höher einzuordnen wäre als das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen.

Danke für den Tipp, der Textbaustein steht!

Anonym hat gesagt…

@ k!: Warum der Ton mancher Kommentare hier so ist, wie er ist, ist doch leicht verständlich, wenn man sich die Blogbeiträge von Herrn Siebers ansieht. Da geht es nämlich (wenn man die Sexthemen ausklammert, an denen Herr Siebers ein irgendwie pubertäres Interesse zeigt) fast immer darum, dass Herr Siebers auf der Gegenseite "Rechtsbeugung" und "Freiheitsberaubung im Amt" wittert - man höre sich nur den unmittelbar voranstehenden "Jahresappell" an.

Wer so großzügig mit Beleidigungen um sich wirft, darf sich über ein gewisse Verschärfung des allgemeinen Tonfalls nicht wundern.

Und wer so großzügig dokumentiert, wie sehr er selbst sich vom Leitbild des "unabhängigen Organs der Rechtspflege" entfernt hat, muss sich auch nicht wundern, wenn seine anwaltlichen Versicherungen - die nur auf der Grundlage dieses Leitbilds praktisch akzeptabel sein können - das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben worden sind.

Werner Siebers hat gesagt…

Ich danke Gerd Kraemer für seine fundierten Worte, die offenbaren, dass er z.B. nicht glauben mag, dass eine nicht geringe Anzahl von Haftrichtern genau so ticken, wie ich in meinem Jahresappell anmahne.

Und ich habe mich nicht auf alle, sondern auf einige bezogen, so dass ich nicht nachvollziehen kann, wer da beleidigt sein will.

Und so lange weiterhin kürbisgroße Tomaten vor den Augen der Beobachter herumhängen, die glauben, all unsere Haftrichter seien völlig koscher, freue ich mich über alle Gerd Kraemers, die sich über mich aufregen, denn ich brauche sie für viel Traffic genauso wie den ein oder anderen Sex and/or Crime - Artikel, die übrigens nach den Statistiken eine hohe Leseranzahl ausmachen.

Anonym hat gesagt…

Die "anwaltliche Versicherung" ist eine "gute Übung", meinte das OLG Köln im Jahr 1963 (Wie viele zugelassene Anwälte gab es damals?). Mehr aber auch nicht.

Nennen Sie mir einen Fall in den letzten 10 Jahren, in denen ein Verstoß gegen die "anwaltliche Wahrheitspflicht" sanktioniert wurde? Die Kammern sind ja schon mit den Untreue-Fällen ausgelastet...

§ 1 BRAO und der Meyer-Goßner (mit 2 Belegstellen) begründen kein echtes Rechtsinstitut... schon gar nicht wenn Sie die tragenden Gedanken aus BGH 3 StR 284/05 ("Unwahre Protokoll/Verfahrensrüge") berücksichtigen. Wie soll ihre Wahrheitsliebe denn funktionieren, beim Strafverteidiger, wenn es um die Wahrheit gegen ein wohlverstandenes Mandanteninteresse (das Sie hier regelmäßig heucheln) geht?

Die Frage "Darf der Anwalt" lügen lässt sich juristisch sauber nicht unterschiedlich beantworten für a) die Revisionsbegründung und b)den Terminsverlegungsantrag. "Gute Übung" ist eben nicht "gute Dogmatik", gell.

Wenn Sie - was ich annehme im Mandanteninteresse - im Zweifel nach dem geschätzten Dahs "nach Herzenslust als Verteidiger lügen"(Dahs , StraFo 2000, 181, 185), dann können Sie sich andererseits nicht auf eine Wahrheitspflicht berufen. Vielleicht will ja ihr Mandant (mit "guten Gründen") eine Terminsverlegung?

Zudem: Sie glauben gar nicht, wie viele Verlegungsanträge (meist nur über, besser: von der Bürofachkraft veranlasst) sich als "heiße Luft" oder Bequemlichkeit herausstellen?!

Das gelegentliche(!) Nachhaken vermindert - seltsamerweise - die Zahl der Verlegungsanträge nach meiner Erfahrung um 50 Prozent.

Im Übrigen: "aus dienstlichen Gründen" wird im hiesigen Bezirk kaum mehr als Verlegungsbegründung "verwendet".

So.

Werner Siebers hat gesagt…

@ Schreckchen

OLG Köln 1963 ist nicht so der Bringer? OK, diskutieren wir auf höherem Niveau. Wie wäre es mit BGH NStZ 2007, 162: Der Antrag bedurfte nicht der weiteren Glaubhaftmachung, da der Verteidiger seine eigenen Wahrnehmungen mitteilte; dass er die Richtigkeit seiner Angaben anwaltlich versicherte, war nicht erforderlich.

Auch Löwe-Rosenberg geht in der aktuellen 26. Auflage wie selbstverständlich davon aus, dass die anwaltliche Versicherung im Strafprozess ein Mittel der Glaubhaftmachung ist.

Und wenn ich in der Situation wäre, darüber nachzudenken, ob es im Sinne des Mandanten wäre, nicht die Wahrheit zu sagen, dann würde das jedenfalls bei mir nie eigene Wahrnehmungen betreffen.

Werner Siebers hat gesagt…

@ Schreckchen

Das "gelegentliche Nachhaken" ist eine lehrerhafte Unsitte von Richtern, die noch glauben, immer im Recht zu sein und zu jeder Zeit verlangen zu dürfen, dass jeder das tut, was der Richter verlangt.

Gegen solche ewig gestrigen Unholde lohnt es zu kämpfen und ich kann nur jedem engagierten Strafverteidiger anraten, diesen merkwürdigen Schrecken zu zeigen, dass Befangenheitsanträge keine Beleidigung sondern ein von der Strafprozessordnung vorgesehenes Verteidigungsmittel sind.

Anonym hat gesagt…

...da der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung auf die "anwaltliche Versicherung" schlicht verzichtet, zeigt er deren nur vermeintliche Wertigkeit schön auf. "Glaubhaftmachen" geht nämlich hübsch ohne eine solche Versicherung...durch "schlichte Erklärung". Ihre a.V. ist und bleibt ein rechtliches Nullum. Es bleibt insoweit beim Freibeweis. Zart darf ich daran erinnern, dass die echten a.V. spezialgesetzliche geregelt sind, z.B. das EB.

Woher soll der böse Richter denn wissen, dass Sie beim Verlegungsantrag nicht für Ihren Mandanten gerade mal "lügen"? So wie sich der Richter u.a. einen Befangenheitsantrag (oder die von Ihnen so häufig lustvoll empfohlene Dienstaufsichtsbeschwerde) gefallen lassen muss, dürfte Ihnen durch das Faxen einer Kopie der "Kollisionsladung" keiner aus der Krone fallen.

Lieber Sieber, mal wieder "noch 4 Punkte - mit Bedenken"

P.S.: Um Ihr Justiztrauma nicht zu verstärken: "Dienstliche Äußerungen" haben auch keine besondere rechtliche Wertigkeit.

Werner Siebers hat gesagt…

@ Schreckchen

Mir fällt auch nix aus der Krone. Fällt ihr was aus der Krone, wenn sie mir glaubt? Nein, es ist keine Haftsache, sie hat den Termin nicht abgestimmt, nicht einmal den Versuch unternommen. In mehr als 20 Jahren gab es nie einen Beschiss in dieser Richtung von mir.

Den schwarzen Peter wird sie nicht los, da kann auch Schreckchen nicht helfen.

Anonym hat gesagt…

...okay, zum Einzelfall kann ich nix sagen, da ich die Dame nicht kenne. Aber die "Verlässlichkeit" sollte selbstverständlich bei allen Verfahrensbeteiligten vorhanden sein. Wenn man sich kennt und nicht ärgern möchte, sollte es auch anders gehen. Übrigens auch ohne "Vollmacht"-Zwang und ähnliche Spielereien...Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Eine "freundliches Nachhaken" führt aber meist zu einem mehr oder weniger erbosten Rückruf und einem freundlichen Gespräch, nebst Absprachen (nicht schmutziger Deal)... so long, Shrek

Werner Siebers hat gesagt…

Und jetzt, lieber Shrek, geben sich zwei Kämpfer die Hand und wünschen sich einen guten Rutsch.

Wir sind uns eigentlich völlig einig. Eine angemessene Nachfrage, und selbstverständlich sage ich, dass der Termin um x Uhr beim Landgericht Y stattfindet.

Der Ton macht halt die Musik.

Was mir an Ihnen gefällt: Bis zum Schluss gegen gehalten und doch verstanden, was ich meinte.

Bier oder Kaffee?

So long, Kantholz.

exklka hat gesagt…

Ich verstehe das irgendwie nicht: Mal kurz die Ladung oder eine Vollmacht oder sonstwas mitfaxen, sollte doch eigentlich kein Problem sein.

Und im Ergebnis kann der Richter / die Richterin immer, sei es auch unterbewusst, bei dem Strafmaß ihr Ermessen auch zuungunsten des Mandanten ausüben. Vor dem Hintergrund verstehe ich nicht, warum man unbedingt diese wirklichen Belanglosigkeiten ausreizen muss. Wäre mir meine Zeit auch zu schade.

Werner Siebers hat gesagt…

@ exklka:

Verjährung erreicht, weil keine schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht wurde. Einstellung des Verfahrens, weil Zustellung ohne Vollmacht nicht möglich.

Und dafür ist Ihnen Ihre Zeit zu schade.

Okay, schicken Sie die Mandanten zu einem Anwalt, der das ausreizt, sie werden es Ihnen danken.

Anonym hat gesagt…

O.K. Friede!

Bier!

Meinen Sprengel verrate ich Ihnen aber nicht... Im Übrigen: Lieber ein Kantholz vom Fach, eine rubuste HV, notfalls Hardcore-StPO und ein Freispruch als "missliches" Ergebnis als ein civilistischer Gelegenheitsverteidiger ("Blalalalala...Beweis: Zeugin xy") und eine Verurteilung, weil der Verwertung einer "informatorischen" Befragung nicht widersprochen wurde (da belehre ich den Verteidiger nicht...).

...und zum Schluss noch ein Lob (Schmeichel-Attacke wirkt): Kollegen empfehle ich (trotz derber Anwaltslastigkeit) solche Blogs gerne. Ein wenig ungeschminktes und polemisches Feedback hat noch keinem "Unabhängigen" geschadet... :-)

Yoda: Luke, if you end your training now, if you choose the quick and easy path, you will become an agent of evil.

...auch wenn ich als Haftrichter die Angelegenheit - mit hoffentlich guten und rechtlich brauchbaren Gründen - dann doch anders behandele als der Advokat das wünscht...

Werner Siebers hat gesagt…

O.K. Friede!

Bier!

So soll es sein.

 

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