Eine weitere ausführliche und ausgesprochen lesenswerte Stellungnahme zu diesem Themenkomplex ergibt sich aus: "DIE ÖFFENTLICHKEIT ALS RICHTER?" LITIGATION-PR ALS NEUE METHODE DER RECHTSFINDUNG, SAMMELBAND, HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. DR. VOLKER BOEHME-NEßLER, ERSCHIENEN IM NOMOS VERLAG, 2010
Dort heißt es u.a.:
Quelle: blog zum medienrecht über einen Aufsatz von dem Kollegen Jan MönikesSicher ist aber auch, dass die „Öffentlichkeitsarbeit“ der Staatsanwaltschaft Karlsruhe dem Rechtsstaat einen Bärendienst erwiesen hat. Sie ist mindestens der Beleg dafür, dass die Verantwortlichen mit dem großen öffentlichen Vertrauen, das jeder staatsanwaltlichen Verlautbarung unweigerlich entgegen gebracht wird, zu keiner Zeit angemessen umgehen konnten. Was die Ermittler sagen wiegt schwer. Ausdruck findet dies nicht zuletzt im presserechtlichen Behördenprivileg. Schon von daher ist es für einen Beschuldigten schier unerträglich, wenn Staatsanwälte zwan- glos am Telefon mit Journalisten plaudern und sich zu jedem Verfahrensstand über die Presse zu Wort melden. Stattdessen sollte sie das berechtige Informationsinte- resse der Öffentlichkeit behutsam, soweit es den Fähigkeiten des jeweiligen Presse- sprechers angemessener ist vielleicht gar nur schriftlich und im Wege von offiziellen, ggfs. sogar mit dem Beschuldigten abgestimmten Pressemitteilungen, äußern. Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit würde man auch so genügen. Zudem wäre gewährleistet, dass die Sprecher der Staatsanwaltschaft nachträglich dokumentieren können, was sie tatsächlich verlautbart haben und was dagegen „nur“ ein falscher Bericht der Medien ist. Dem Betroffenen würde damit zugleich auch der Weg eröffnet werden, sich mit den normalen Mitteln des Presserechts gegen die Verbrei- tung falscher Tatsachenbehauptungen erfolgreicher wehren zu können, da es den Medien verwehrt wäre, sich auf angebliche behördliche Äußerungen zu berufen.
Dem Bundestag sei zudem dringend geraten, besonders im Hinblick auf die moderne Datenkommunikation, „Smartphones“ und Serverinfrastrukturen, den „Fall Tauss“ zu einer generellen Überprüfung der Praxis im Umgang mit Anträgen zur Auf- hebung der Immunität zu nutzen. Auch und gerade bei so einem heiklen Verdacht darf es nicht dazu kommen, dass die Rechte der Abgeordneten und die Vertraulich- keit des Parlaments insgesamt in Gefahr geraten. Hiergegen helfen keine Einzelfal- lentscheidungen, vielmehr ist ein generelles System zu etablieren, dass einerseits die rechtsstaatlich gebotenen Ermittlungen auch gegen MdBs zulässt, andererseits das Vertraulichkeitsversprechen des Art. 47 GG auch tatsächlich absichert. Eine Heraus- gabe der gesamten Datenbestände eines Abgeordneten an Exekutivorgane, wie sie im „Fall Tauss“ zugelassen wurde, sollte in der Zukunft nie wieder geschehen, eine Sichtung von Daten und Unterlagen – egal bei welchem Verdacht – nur in den Räu- men und unter Aufsicht des Parlaments erfolgen.
Im Übrigen erscheint es aber äußerst fraglich, ob zumindest bei gesellschaftlich stark tabuisierten Tatbeständen und dem Verdacht gegen Prominente der Staatsan- waltschaft überhaupt eine (re-) aktive Pressearbeit gestattet werden sollte, wenn sie anschließend nur noch damit beschäftigt ist, den selbst entfachten „Tsunami“ zu füttern. Dies ist nicht professionell, sondern hilflos.
Soweit es den Fähigkeiten des jeweiligen Pressesprechers angemessener ist, sollte die Staatsanwaltschaft künftig ggfs. daher sogar nur noch schriftlich und im Wege von offiziellen Pressemitteilungen auf Anfragen reagieren dürfen. Solche Mel- dungen könnten in vielen Fällen sogar mit der Verteidigung abgestimmt werden – auch um ein „Aufschaukeln“ von Pressestatements zu vermeiden.
Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit würde man jedenfalls auch so genügen. Zudem wäre gewährleistet, dass die Sprecher der Staatsanwaltschaft nachträglich dokumentieren können, was sie tatsächlich verlautbart haben und was dagegen „nur“ ein falscher Bericht der Medien ist. Dem Betroffenen würde damit zugleich auch der Weg eröffnet werden, sich mit den normalen Mitteln des Presse- rechts gegen die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen erfolgreicher wehren zu können, da es den Medien verwehrt wäre, sich auf angebliche behördliche Äuße- rungen zu berufen. Anderes ist auch nicht unter dem Aspekt der „Waffengleichheit“ geboten. Denn gerade in Fällen, in denen schon der öffentliche Verdacht die Bestra- fung bedeutet, werden weder der Verdächtige noch sein Anwalt die Öffentlichkeit suchen, um „Litigation-PR“ zu betreiben.
DEIN RECHT IST MEIN JOB
STRAFJURIST, bundesweite Strafverteidigung
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